Am Freitag wurde für Frauen, Feministen und alle anderen Interessierten eine wohltuende Befriedigung der Theaterbedürfnisse geboten. Im Stream fand das „Femme BUSCival“ statt: Das Buscival ist ein Festival der Theatergruppe „Bonn University Shakespeare Company“, das bereits zum dritten Mal abgehalten wurde. In diesem Jahr widmeten sich die Beiträge zum Weltfrauentag Tabuthemen und der Sichtbarkeit von Frauen und queeren Menschen.
Eine bunte Revue stellten die Mitgliederinnen für das Publikum auf den heimischen Sofas zusammen. Einzelne Auftritte wurden zuvor gefilmt und geschnitten, dazwischen lieferten Anthea Petermann und Sabina Kukuk aus der Brotfabrik eine sympathische Livemoderation. Nur ihre Mikros waren leider durchgängig zu leise eingestellt. „Ein Festival für Frauen, die Frauen supporten und für Frauen, die Frauen lieben“, lautet die Einleitung. Gleich auffällig ist dabei, wie wirklich gut die Technik an diesem Abend ansonsten funktioniert.
Bart rasieren, weil frau es will
In einem unterhaltsamen Quiz werden über den Abend verteilt Fragen gestellt, im interaktiven Chat können die knapp 90 Zuschauenden mitraten. Und natürlich die Darbietung der Schauspielerinnen loben und ihnen zumindest mit Worten applaudieren. Gleich der erste Beitrag, der eine Mischung aus Rezitation und Improvisation bietet, wirkt etwas zu lang.
Die Qualität der Kurzfilme hält jedoch insgesamt ein für Laien ziemlich hohes Niveau. Die Darstellerinnen haben sich sinnliche, rote Lippen geschminkt und kämpfen „für eine Welt, in der jegliche Liebe normalisiert und gelebt werden darf“. Doch auch Gewalt gegen Frauen wird angesprochen – und Ungerechtigkeiten wie das Problem, dass Männerrasierer teurer sind als die rosafarbenen für Frauen.
Vanessa Basilio de Luca zeigt das Stück „The Shave“: Eine Frau, die sich den kompletten Bartbereich rasiert, einfach, weil sie es will. Bree Bursch hat die Kurzgeschichte „The Yellow Wallpaper“ von Charlotte Perkins Gilman in ein Ein-Frauen-Stück verwandelt, in der die Protagonistin durch ebenjene Tapete langsam in den Wahnsinn abdriftet. Eine hypnotische Performance.
Medusa-Bildnis wird versteigert
Vor blumigem, projiziertem Hintergrund leiten die Moderatorinnen teils etwas ungelenk, aber umso authentischer von einem Thema zum anderen. Der Körper-Akzeptanz widmet sich Ina Habermann mit der starken Botschaft „Alle Körper sind wertvoll“. In die dargebotenen Kunstfilme muss viel Arbeit geflossen sein, insbesondere mit der Herausforderung, alles allein zuhause zu drehen.
Besonders faszinierend ist die Entstehung eines Kunstwerkes von Hannah Kwella, die die Zuschauerinnen im Zeitraffer beobachten können. Während das Programm weitergeht, tobt im Chat eine Versteigerung: 120 Euro erzielte das Porträt der Medusa, eine Summe, die an „UN Women“, ein Organ der Vereinten Nationen, gespendet werden soll.
Noch Tage später geistert im Kopf die Frage herum, ob Medusa einen großen Hut auf ihrem Kopf tragen würde – oder jede der Schlangen einen kleinen. Wichtig sei jedoch, dass die griechische Sagengestalt kein männerversteinerndes Monster gewesen sei. Die Schlangen hätten sie im Gegenteil, nach einem Übergriff, gegen Männer und toxische Maskulinität geschützt.
Unterstützung der Künstlerinnen
Auch sich selbst haben die BUSC-Mitgliederinnen hinterfragt: Meistens waren bisher die Autoren, deren Stoff die Darstellerinnen auf die Bühne brachten, männlich. Vornehmlich natürlich Shakespeare selbst. Und auch ein Großteil der zu verkörpernden Rollen war männlich. Die Bewusstwerdung kann der erste Schritt zu einer langsamen Veränderung der Umstände sein.
Tatsächlich war der ganze (lange!) Abend ohne Bezahlung zu genießen. Doch es bestand die Möglichkeit, reibungslos per Paypal an die Brotfabrik Bühne zu spenden, die die Moderationsplattform zur Verfügung stellte – und für eine „digitale Grundversorgung“ zuständig war. Ein Großteil der Spenden soll jedoch an die auftretenden Künstlerinnen gehen.
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