Die Nervosität des Fertigwerdens liegt in der Luft. Bevor am 21. Juli der Rundgang der Kunsthochschule für Medien eröffnet, gibt Prof. Dr. Hans Ulrich Reck, Rektor der KHM, einige Informationen über die Ausbildung ihrer Künstler. Die KHM unterstützt ihre Studenten, nicht wie bei einer Berufslehre, sondern liefert Bildung, hilft bei Reflektion und Selbstständigkeit. Wer hier als Künstler aufgenommen wird, erhält von der KHM Begleitung, Beratung, Unterstützung und Kritik. Die Produktion und Umsetzung ihrer Ideen liegt ganz bei den Studenten. „Denn Kunst ist immer auch Überforderung“, sagt Reck.
Der Rundgang ist wie jedes Jahr keine Leistungsschau der „besten Stücke“, stattdessen findet man hier die Arbeiten von Anfängern neben den Abschlussarbeiten. Heute spürt man die Anstrengung der finalen Pinselstriche und Werkeleien, damit morgen alles für das Auge der Öffentlichkeit bereit ist.
Im Animationsstudio kann man sehen, dass das zeichnerische Entwerfen noch immer ein Kernstück der Animation ist. Die analoge Animation geht der digitalen voraus. Im Kinoprogramm der nächsten Tage findet man künstlerische Animationen, Spiel- und Dokumentarfilme, experimentelle Filme sowie Mischformen der verschiedenen Genres. Im kühlen, dunklen Kinoraum läuft ein Roadtrip, der Fiktionales und Dokumentation mischt und das Heimliche in etwas Unheimliches verwandelt. „OCEAN HILL DRIVE“ von Miriam Gossing belichtet das Phänomen des „shadowflicker“, ein seltener Lichteffekt, welcher sich in einer kleinen Vorstadtsiedlung in der Nähe von Boston ereignet und bis in die Wohnzimmer der Anwohner eindringt. Das Filmprogramm beim Rundgang 2016 präsentiert insgesamt vierzig Filme aus den Bereichen Spiel- und Dokumentarfilm, Werbung, Social Spot, Animationsfilm und Kamera.
Im Atelier 2 löst Finn Wagner die Oberfläche von Gegenständen und bringt sie auf anderen Materialien an. Verwirrend und faszinierend ist diese Installation für die eigene Wahrnehmung. Wasser fließt über Gegenstände, die nicht mehr sie selber sind. Man sieht und hört das echte Wasser. Auf einem Bildschirm sieht man einen Avatar, der mit Wasser spielt und erhält als Betrachter ein haptisches Gefühl ohne etwas zu berühren.
Auch die von Severin Humboldt vergrößerten Filmstills täuschen den Betrachter. Humboldt spielt mit visuellen, politischen Assoziationen. Als konditionierter Betrachter kann man beim Anblick eines schwarzen, im Wasser rudernden Mannes von einem Flüchtling ausgehen. Es handelt sich jedoch um einen Surfer im Neoprenanzug. Auch eine Eine-Welt-Fahne hat Wagner designt. Diese ist einerseits romantisch, da sie gemeinsam für alle Länder steht. Jedoch kann sie gleichzeitig als kämpferisch interpretiert werden, wenn es beispielsweise um die Abgrenzung der Welt gegenüber dem Weltall geht. Auch im Film- und Fernsehstudio geht es um Nationalismus. Hier wird man einen Flagworship-Tanzperformance von Vanja Smiljanic zu sehen bekommen. Andere Arbeiten beschäftigen sich mit der eigenen familiären Identität. So mischt Sanaz Azizi deutschen Lehm mit Fundstücken aus dem Iran, der Heimat ihrer Familie.
Die Vielfalt der Themen und Umsetzungen ist so facettenreich und gut durchmischt wie die Studenten der KHM. Auch für Klang und Musik gibt es Raum. Neben Konzerten und Lesungen werden am Samstag, den 23. Juli die Inhalte und Fragestellungen in einer öffentlichen Podiumsdiskussion mit allen Interessierten und Gästen in der Aula der KHM diskutiert. Gefeiert wird ebenfalls am Samstag ab 22 Uhr im Collegio.
Rundgang 2016 | 21.-24.07 | Kunsthochschule für Medien, Köln | www.khm.de
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