Seien wir ehrlich: Die Angst, ein neuer Hitzesommer könne die zarten Erfolge der Kinobranche nach den Erschütterungen durch die Pandemie direkt wieder im Keim ersticken, waren groß. Und dann auch noch – wir berichteten in der letzten Ausgabe – der (vollauf berechtigte!) Drehbuch-Streik und die Solidarisierung der Darsteller:innen in Hollywood, die zunächst zukünftige Projekte und nun auch aktuelle Starts gefährden, weil die Studios durch den Streik riskieren, ihre PR-Aktionen ohne die Stars auf der Leinwand realisieren zu müssen. Einen solchen Doppelstreik gab es zuletzt 1960 in Hollywood.Am 17. August haben die Teilnehmenden die Kartellbehörden aufgerufen, die Macht der Streamer Netflix, Amazon und Disney genauer zu untersuchen, denn die Monopolstellung führe zu Preisdumping.Das sind schon ohne einen heißen Sommer, in dem die Menschen nur zurückhaltend ins Kino gehen, ganz schön viele Konfliktfelder und unberechenbare Variablen – Ende offen.
Doch dann kam „Barbenheimer“! Es gibt schon einen Wikipedia-Eintrag zu dem Phänomen in Sozialen Netzwerken, das den zeitgleichen Start der Blockbuster „Barbie“ von Greta Gerwig und „Oppenheimer“ von Christopher Nolan am 21. Juli thematisiert. Für gewöhnlich vermeiden die großen Hollywoodstudios eine allzu direkte Konkurrenz. Aber Warner, das Produktionsstudio von „Barbie“ und Universal, das Studio von „Oppenheimer“, dachten sich, die Schnittmenge sei nicht allzu groß. Der Publikumserfolg der Filme ist jedenfalls unglaublich und Dresscodes wie bei „Barbie“ gibt es sonst wohl nur bei Sondervorführungen von Animes. Fast noch unglaublicher als der Publikumserfolg ist es für die Branche, den Filmen mit viel Erfindungsreichtum weit über 20 Rekorde anzurechnen: Neben den üblichen Kartenverkäufen und Einspielergebnissen sind das nachvollziehbare wie „Erfolgreichster Film aller Zeiten einer Regisseurin“. Mit „Erfolgreichstes Startwochenende für einen Film mit R-Rating“, aber auch mit „Erfolgreichstes Drama seit 2019“ für Oppenheimer wird‘s schon fantasievoll. Auch nicht ganz naheliegend: „Oppenheimer“ ist laut Universal der Film mit dem höchsten Einspielergebnis eines Filmes mit Bezug zum Zweiten Weltkrieg. Zu allem Überfluss sind beide Filme auch noch Kritikerlieblinge.
Es gab aber auch Kritik. Neben den Fans der 40 in den letzten 20 Jahren erschienenen abendfüllenden Barbie-Animationsfilme, die mit dem Feminismus in „Barbie“ nichts anfangen konnten, vor allem von konservativer Seite. Frauen würden gegen Männer aufgewiegelt und Männlichkeit diffamiert. Kommt wohl darauf an, wie man Männlichkeit definiert ... In Japan hingegen stieß es auf Entsetzen, dass Warner die „Barbenheimer“-Memes mit Barbie und Atompilz für die PR nutzte. Außer Frage steht: Kino hat in diesem Sommer seine volle Wirkkraft entfaltet. Nicht nur vor, auf oder hinter der Leinwand, sondern in der Mitte der Gesellschaft. Langweilig wird es im September auch nicht. Dann erwartet uns das Gegenteil eines überwältigenden Blockbuster-Spektakels, wenn „Fallende Blätter“ von Aki Kaurismäki, dem finnischen Meisters der Reduktion, mit nur ganz wenigen Mitteln großes Kino auf die Leinwand zaubert.
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