Während sich in Bonn bei der gerade zu Ende gegangenen UN-Klimakonferenz COP23 noch die Akteure der Weltbühne die Köpfe heiß redeten, um nach dem Pariser Abkommen den weiteren Fahrplan zu regeln, hatte die Kölner Ratsgruppe GUT die Konferenz zum Anlass genommen, um öffentlich über das Thema Klimaschutz zu diskutieren – unter anderem auch die Frage, wie dieser in Köln gehandhabt wird und wie die Stadt ihre eigenen Klimaziele erreichen kann. Dafür hatte sie am 13.11. eine illustre Runde von Vertretern der Stadtverwaltung, Wissenschaftlern und Aktivisten von Umweltverbänden zusammengebracht, die auf der Bühne des Filmforums im Museum Ludwig aufeinander trafen. Dank der Nähe zur Konferenz war es den Ratspolitikern außerdem gelungen, einen internationalen Gast für die Gesprächsrunde zu gewinnen: Den britischen Aktivisten und Autoren George Marshall, der vor allem mit seinem Buch „Don't Even Think About It“ bekannt geworden war, in dem er eine Psychologie des Klimawandels entworfen hatte.
Zwar werde seit 25 Jahren öffentlich darüber geredet, dass der Klimawandel die größte Bedrohung für die moderne Welt sei, so Marshall in seinem einleitenden Vortrag, dennoch sei diese Erkenntnis bei einem Großteil der Menschen immer noch nicht angekommen – so hätten etwa zwei Drittel der britischen Bevölkerung noch nie eine Unterhaltung über das Thema geführt. Dass es vielen Leuten so schwerfalle, die Bedeutung des Themas zu realisieren, sei drei Merkmalen geschuldet, die beim Klimawandel verhängnisvollerweise zusammenkommen: Er wird als in der Zukunft liegend wahrgenommen, seine genauen Auswirkungen sind unsicher und Gegenmaßnahmen verursachen Kosten, die von den Zeitgenossen als gravierender empfunden werden als die größeren Kosten in der Zukunft, die diese verhindern sollen.
„Kognitionspsychologisch sind Menschen sehr schlecht darin, die Zukunft im Blick zu haben“, so Marshall. Rational könne das Problem nachvollzogen werden, den Wenigsten gelänge das jedoch auf der emotionalen Ebene – „und unser emotionaler Teil ist derjenige, der die Entscheidungen trifft.“
Auch Dr. Harald Rau, Umweltdezernent der Stadt Köln und Professor für Kommunikationsmanagement, zeigte sich in dieser Frage desillusioniert: „Die reine Erkenntnis, dass das Thema real und ein Problem ist, führt noch nicht zu einer Änderung des Verhaltens.“ Ihr Verhalten änderten Menschen noch am ehesten, wenn sie sich als wirkmächtig erlebten, so Rau weiter – und bei einem abstrakten Phänomen wie dem Klimawandel sei dies eben nicht gegeben.
Diese Dissonanz spiegelte sich auch in der Klimapolitik der Stadt Köln wieder, wie sie Rau und Dr. Matthias Welpmann, Umweltdezernent der Stadt Neuss und lange für die Grünen im Kölner Stadtrat, skizzierten. Zwar sei Köln bereits 1993 Klimapartnerschaften mit anderen Kommunen eingegangen, doch habe man seitdem viel Zeit verloren, so Welpmann. Wahrscheinlich werde Köln seine selbstgesteckten Klimaziele für 2020 verfehlen – das sei auch eine Frage, wie Prioritäten gesetzt würden.
„Wenn eine Rheinbrücke für Autos erneuert werden muss, werden die Weichen schnell gestellt, aber einen Radschnellweg zu bauen, diese Entscheidung tragen wir ein paar Jahre mit uns herum“, sagt Rau. Andere Städte hätten ihre Vorhaben klar nach Prioriäten geordnet – in der Kölnagenda 2020 fehle eine solche Priorisierung jedoch. „In Köln wollen wir irgendwie immer alles. Und dabei gelingt es uns oft nicht, Vorhaben zu Ende zu führen.“
Boden gut gemacht habe der Klimaschutz in Köln vor allem durch den Ausbau des Fernwärmenetzes, der von dem neuen, hocheffizienten Gas- und Dampfturbinenkraftwerk Niehl 3 getragen werde. Doch die Stromversorgung Kölns sei noch in hohem Maße von fossilen Brennstoffen abhängig, worin sich die Nähe zum rheinischen Braunkohlerevier äußere, das für 27% der CO2-Emissionen NRWs verantwortlich ist und das während COP23 auch international in den Fokus rückte.
So dringlich sich die Lage auch darstellen würde – mit düsteren Weltuntergangsszenarien erreiche man die Leute nicht, sagt Marshall. Stattdessen müsse man das Narrativ so ändern, dass es die Menschen in die Lage versetze, sich als wirksam zu erleben. Statt vor den Katastrophen von morgen zu warnen, solle man die Gemeinsamkeiten und gemeinsamen Ziele im Heute betonen und an den Stolz und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen appellieren: „Wir brauchen eine Sprache, die Gemeinsamkeiten betont, die auf Glück fußt, nicht auf Verzweiflung.“
In dieser Hinsicht gab es aus Köln auch Positives zu berichten, etwa von Dr. Brigitte Jantz vom Kölner Institut für Ökologische Forschung und Bildung. Sie hatte bereits 2008 ein Klimaschutz-Bildungskonzept für Köln entwickelt und initiiert als Sozialraumkoordinatorin Klimaschutzprojekte in Kölner Vierteln, in denen sich städtische Mitarbeiter, soziale Einrichtungen, Anwohner und ansässige Firmen gemeinsam für konkrete Maßnahmen engagieren. „Entscheidend ist, dass diese Projekte mit dem Lebensalltag der Leute zu tun haben“, erklärt Jantz.
Die Ergebnisse von COP23 werden am 6. Dezember um 19 Uhr im Alten Pfandhaus präsentiert und diskutiert von Umweltdezernent Rau und Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, sowie von Vertretern aus Politik, engagierter Bürgerschaft und Wirtschaft. Moderieren wird Martin Herrndorf für die Grünen und Deine Freunde.
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Danke schön für den guten Bericht!
Wir haben uns sehr über die zahlreichen Besucher*innen gefreut. Es hat uns Mut gemacht, dass trotz aller "Dissonanz" die beim Wort Klimawandel in unseren Köpfen entsteht, so viele Menschen Interesse gezeigt haben.
Beim nächsten Mal werden wir auch intensiver mit den Publikum diskutieren, leider geriet unser Zeitplan etwas durcheinander ... SORRY!
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