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Wahnsinnig verliebt
Frankreich 2002, Laufzeit: 92 Min., FSK 12
Regie: Laetitia Colombani
Darsteller: Audrey Tautou, Samuel Le Bihan, Isabelle Carré, Sophie Guillemin, Clément Sibony, Elodie Navarre, Eric Savin, Vania Vilers, Michèle Garay

Angélique ist eine bezaubernde, bis über die Ohren verliebte junge Frau. Andrey Tautou, die kürzlich erst als “Amélie³ die Kinowelt eroberte, inkarniert überzeugend dieses liebenswerte Wesen, dass eifrig Geschenke kauft, von der bevorstehenden Reise schwärmt und bei jeder Gelegenheit in Lobeshymnen über ihren Geliebten ausbricht, doch dann sich allein und versetzt am Flughafen wiederfindet. Ihren Freunden gegenüber verteidigt sie weiterhin tapfer seine Nachlässigkeiten. Selbst vor Mord, da wo jemand ihrem Angehimmelten gefährlich werden könnte, schreckt sie nicht zurück. Es dauert lange, bis sie schliesslich die Fruchtlosigkeit all ihrer Liebesbemühungen erkennt, sich aufgibt und das Gas aufdreht. Und hier beginnt der überraschende Schwenk, noch einmal wird die gleiche Geschichte erzählt, diesmal aber aus der Perspektive des Mannes, der nicht einmal ahnt, wer die Frau ist, die ihn überall beobachtet, mit Geschenken überhäuft, zu professionellen Fehlleistungen provoziert und seine Ehe zu zerbrechen beginnt. Er, der einst Angélique als kleine Aufmerksamkeit eine Rose schenkte, die sie sogleich zur grossen Liebesgeschichte ausspann, von der nichts und niemand sie abbringen kann, wird zum Opfer ihrer “Liebesbeweise³. Die scheinbar so naive und anmutige Angélique erscheint in diesem anderen Blick als rücksichtslose, erpresserische, ja mörderische Wahnverfallene, die den Zuschauer in den Sog ihrer Monstrositäten mitreisst. Bravourös gelingt Laetitia Colombani diese ebenso psychologisch feinsinnige wie spannungsgeladene doppelte Sicht, selbst auf kleinste Details und Gesten, die sich zu derart unterschiedlichen Geschichten zusammenstricken lassen. Das Reale zerfällt in zwei unvereinbare, und scheinbar doch stimmige Interpretationen. Angélique ist der als De-Clérambault-Syndrom bekannten Variante der Erotomanie verfallen, eine oft unheilbare psychische Störung, die an einer herbeiphantasierten Liebe um jeden Preis festhält. Colombani schafft Szenen, die den Vergleich mit Hitchcock nicht zu scheuen brauchen: wenn etwa nachts das unwissende Opfer ins heruntergekommene Appartement seiner Nachbarin tritt, dort plötzlich auf sein lebensgrosses, Furcht einflössendes Portrait stösst (Angélique ist auch eine talentierte Künstlerin) und so schlagartig mit der Einsicht konfrontiert wird, wer seine Verfolgerin ist....oder jener, als hinter dem Zellenwandschrank der gerade, nach einem Jahr, als “geheilt³ entlassene Angélique wieder sein farbreiches Portrait erscheint, diesmal erstellt aus Hunderten von ihr nicht geschluckten Psychopharmaka, und blitzartig der Schrecken sich ausbreitet, dass eben ein sich treu gebliebenes Monster auf freien Fuss gesetzt wurde. Das brillante, über die perspektivische Wahrnehmungsverzerrung handelnde Drehbuch Laetitia Colombanis, das in Frankreich als “Bestes Drehbuch der Jugend³ 2001 preisgekrönt die Filmrealisation erst ermöglichte, findet mit Audrey Tautoo sicherlich seine ideale Besetzung.

(Dieter Wieczorek)

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