Duell - Enemy at the Gates
Deutschland 2001, Laufzeit: 129 Min., FSK 16
Regie: Jean-Jacques Annaud
Darsteller: Jude Law, Joseph Fiennes, Ed Harris, Rachel Weisz, Bob Hoskins, Gabriel Thomson, Ron Perlman, Robert Stadlober, Dana Cebulla, Matthias Habich
Der Fünfjährige liegt seit Stunden bewegungslos in der Kälte, bis sich endlich der gejagte Wolf nähert. Er isst Schnee, um seinen Atemgeruch zu tilgen. Seinen Schuss zögert er lange heraus und verfehlt das Ziel. Der Wolf reisst sein Pferd. 20 Jahre später liegt er unter einer Decke von Schutt und Steinen, diesmal in der Hölle von Stalingrad und weiss, sich sein Todesurteil selbst zu schreiben, verfehlt sein Schuss diesmal das Ziel. Jean-Jacques Annaud betreibt einen 180 Millionen Mark grossen Aufwand, um die fatale Schlacht von Stalingrad ins Bild zu setzen. Im Güterwagen werden die jungen russischen Soldaten wie Vieh aus dem Güterwagon heraus getrieben und in das brennende, bereits in Ruinen liegende Inferno gehetzt, den klaren Tod vor Augen. Wollen sie umkehren, werden sie von ihren eigenen Leuten erschossen. Demoralisiert braucht die russische Armee, wie der von Stalin entsandte Kommissar Chruschtschow schnell erkennt, nichts dringender als Vorbilder und Helden. So wird der durch seine Schiesskunst aufgefallene einfache Soldat Vassili durch Propagandakunst schnell zur Inkarnation des aufrechten und unbesiegbaren Kommunisten stilisiert. Das deutsche Oberkommando, um die psychologische Bedeutung dieser Heroisierung wissend, entsendet ihren besten Scharfschützen, um sich seiner zu entledigen. Ein tötliches Duell beginnt zwischen dem eleganten, von kühler Intelligenz und logistischer Brillianz charakterisierenden Major König, der gewohnt ist, eigenen Wege zu gehen, und dem naiven und gutgläubigen Vassili, der sich mit seiner zugeschriebenen Rolle nie ganz identifizieren konnte. Annaud nutzt die unausgesetzte Dramatik des Schlachtgeschehens als Hintergrundsspannung und Folie für das Genre des klassischen Duells. Weitere Themen um Schuld und Reue, Eifersucht und Liebe, Verrat und Rache werden in dieses Potpourri der starken Gefühle gemischt. Hervorzuheben in diesem vor allem von seinen Effekten lebenden Film sind Detailbeobachtungen. An die Seite Vassilis etwa wird ein noch kurz zuvor als Verräter Denunzierter und Gefolterter gestellt, da er der einzige ist, der die Methoden des Mayor Königs aus eigener Erfahrung kennt. Annaud zeigt dümmlich militärische Arroganz, Menschenverachtung und heuchlerische Propagenda auf beiden Seiten der Frontlinie als die entscheidenden Faktoren in dieser fatalen Materialschlacht um ein pures Statussymbol: Stalin-grad. Die Duellsituation gewinnt durch die Komplexität und Eigenständigkeit der beiden Kontrahenten an Substanz. Beiden Charakteren wird mehr Raum zugestanden, als blosse Marionetten ihrer Regime zu sein. Man ist fast geneigt, ihnen ein weniger mortales Szenarium als den totalen Vernichtungskrieg als Schauplatz ihrer Konfrontation zu wünschen.
(Dieter Wieczorek)
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Doppelter Einsatz für „Afrika“
Spendenaufruf des Afrika Film Festivals – Festival 05/24