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Der Pfad
Deutschland, Frankreich 2020, Laufzeit: 100 Min., FSK 6
Regie: Tobias Wiemann
Darsteller: Julius Weckauf, Nonna Cardoner, Volker Bruch
>> www.warnerbros.de/de-de/filme/der-pfad

Anregendes Flüchtlingsabenteuer

Gut oder Böse?
„Der Pfad“
von Tobias Wiemann

1931 veröffentlichte Erich Kästner sein Kinderbuch „Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee“. Ein Buch, in dem lauter verrückte Sachen passieren. Und in dem vor allem alles anders ist: Kinder tun dort zum Beispiel das, was Erwachsene normalerweise tun. „In Büchern geht sowas“, begeistert sich Rolf (Julius Weckauf), und deshalb ist „Der 35. Mai“ sein Lieblingsbuch. Der Zwölfjährige befindet sich gerade mit seinem Vater, dem Journalisten Ludwig (Volker Bruch) und seinem kleinen Hund am Hafen von Marseille. Wir schreiben das Jahr 1940, Europa befindet sich im Krieg. Rolf und sein Vater sind auf der Flucht vor den Nazis, weil der Papa kritisch über Adolf Hitler berichtet hatte. Mit einem Diamanten in der Tasche, dem letzten Gut von Wert, der ihnen die Reise zur Mutter in New York finanzieren soll, wollen sie sich durch die Pyrenäen schlagen. Das junge Waisenmädchen Núria soll die beiden durchs unwegsame Gebirge nach Spanien führen. Nur der Hund soll nicht mit, weil er die kleine Gruppe verraten könnte. Rolf aber bringt es nicht über’s Herz, seinen kleinen Freund zurückzulassen. Das hat dramatische Folgen.

Julius Weckauf ist gerade einmal zehn und macht sich schon unvergessen, als er in Caroline Links „Der Junge muss an die frische Luft“ den kleinen Hape Kerkeling verkörpert. Der Jungdarsteller bleibt dran, verkörpert zuletzt den kleinen Kumpel von „Catweazle“, um nun mit  „Der Pfad“ erneut von einer schicksalsgeprüften Kindheit zu erzählen. Wie schon bei „Der Junge muss an die frische Luft“ ist es Phantasie, die die die tragischen Prüfungen, mit denen sich ein Kind konfrontiert sieht, zu mildern weiß. Nur erzählt „Der Pfad“ mehr als ein Familiendrama. Er erzählt vom Krieg, vom Grauen und von der Flucht. Von einer Flucht vor den Nazis, von der Flucht in die Phantasie. „Der 35. Mai“ ist das Buch, das Rolf begleitet. Es wird ihm zum Kompass und spendet Zuversicht.

Regisseur Tobias Wiemann erzählt kindgerecht von Krieg und Flucht. Dabei erspart er der Leinwand Tod und Blut, und doch ist die Bedrohung allgegenwärtig. Der Soundtrack begleitet das Drama mitunter abenteuerromantisch, manch schurkische Charaktere sind derlei grotesk gezeichnet, als würden sie einem Karl May-Roman entspringen – und trotzdem wird hier nichts verklärt noch beschönigt. Hier wird die Perspektive eines Kindes eingenommen, das jenseits der Welt eines Kinderbuchs erwachsen handeln muss. Das um sein Leben rennt, ohne es zu wissen.

Roberto Benigni hatte in  „Das Leben ist schön“ bereits von der schützenden Kraft der Phantasie erzählt – das oscarprämierte Drama ging allerdings einen Schritt weiter und versetzte das Kind mit seinem Vater in ein KZ. Trotzdem bleiben beide Filme seelenverwandt. Wenn Wiemann den Wert der Lüge preist. Der Notlüge. Wenn der Vater dem Sohn wider besseres Wissen verspricht, alles werde gut. Wenn Eltern ihren eigenen Tod behaupten, um ihr Kind zu schützen. Immer wieder diskutiert Wiemann leichthändig relevante Themen – Phantasie, Lüge und Schuld sind hier die zentralen Motive. Seinem Film darf man pädagogischen Wert bescheinigen. Aber anders als so manche Produktion mit derlei Siegel, ist das hier auch noch ein guter Film.

(Hartmut Ernst)

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