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Atanarjuat - Die Legende vom schnellen Läufer
Kanada 2001, Laufzeit: 172 Min.
Regie: Zacharias Kunuk
Darsteller: Natar Ungalaaq, Sylvia Ivalu, Peter Henry Arnatsiaq, Lucy Tulugarjuk, Pakkak Innushuk, Madeline Ivalu, Paul Qulitalik

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts strömten in Deutschland die Menschen ins Kintop, um erstmals bewegte Bilder aus fernen Ländern zu sehen ­ das Kino war geboren. Rund 100 Jahre später kommt mit "Atanarjuat" ein Film auf die Leinwand, den amerikanische Kritiker bereits als Vorboten der Wiedergeburt des Kinos bejubelt haben. Auch wenn man dem Werk keine derart epochale Wirkung zugestehen möchte: Den modernen Kinobesucher befällt das gleiche Gefühl wie seine Vorfahren in Wilhelminischen Zeiten, nämlich etwas völlig Neues vor Augen zu haben. "Atanarjuat" ist der erste Kinofilm, der von kanadischen Inuit geschrieben, inszeniert und produziert wurde; auch sämtliche Schauspieler sind Inuit, die meisten von ihnen Laien, die zum ersten Mal vor einer Kamera gestanden haben. Die Story des knapp dreistündigen Films ist eine jahrhundertealte Inuit-Legende, die durch mündliche Überlieferung von Generation zu Generation lebendig geblieben ist. Ein kleiner Nomandenstamm wird von einem unbekannten Schamanen mit einem bösen Fluch belegt, der die Harmonie der Gemeinschaft zerstört und Eifersucht und Hass sät. Regisseur Kunuk siedelt seinen Film um das Jahr 1000 an und zeigt authentisch, wie sein Volk vor Urzeiten in der unendlichen Eiswüste gelebt hat: Das Dasein der Menschen ist vollkommen den Gesetzen der kargen Landschaft, dem Wetter und den Jahreszeiten unterworfen. Die Inuit leben während der Wintermonate in Iglus, im Sommer in Gemeinschaftszelten. Die Männer ernähren den Stamm durch die Jagd auf Robben und Fische, während die kunstvoll tätowierten Frauen mit simpelsten Hilfsmitteln die Beute ausnehmen und zubereiten. Man bekommt eine Ahnung davon, wie sich extreme Minustemperaturen anfühlen, wie beschwerlich die Fortbewegung in der Schneelandschaft ist. Die Darsteller reden ausschließlich in Inuktitut, der Sprache der Inuit. Doch "Atanarjuat" ist kein Dokumentarfilm, er ist ein archaisches Drama. Zwei Brüder sind die Hauptpersonen, der schnelle Läufer Atanarjuat und der starke Amaqjuaq. Atanarjuat liebt eine Frau, die bereits einem anderen versprochen ist, doch der schnelle Läufer setzt sich durch, und der böse Fluch des Schamanen beginnt zu wirken... Was für¹n Scheiß, denkt man in den ersten Minuten, und schielt schon nach dem Ausgang. Man muss sich auf diesen Film einlassen, sich gewöhnen an die unbekannte Sprache (es gibt deutsche Untertitel) und die für Europäer zunächst schwer zu unterscheidende Physiognomie der Inuit-Darsteller. Doch nach kurzer Zeit nimmt einen die einfache, ergreifende Geschichte in ihrer visuellen Schönheit gefangen. Zurecht hat "Atanarjuat" zahlreiche Preise bekommen, u.a. 2001 eine Goldene Palme in Cannes. Bleibt zu hoffen, dass er sein Publikum findet. Denn so was hat man auf der Leinwand wirklich noch nie gesehen.

(Marita Ingenhoven)

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