Jacques Tardi bleibt seinem Lebensthema treu. Zwar hat er einige Schlenker eingebaut, aber im Großen und Ganzen ist sein Thema der Krieg beziehungsweise dessen sinnlose Gräuel. Er widmet sich dem kleinen Mann, dem tragischen Spielball der großen Politik. In „Der letzte Ansturm“ führt er erzählerisch diesen Weg fort. Ein exemplarischer „Held“ stolpert durch das Schlachtfeld und bietet Tardi Gelegenheit, in die größeren Zusammenhänge abzuschweifen. Seine Geschichte aus dem Krieg ist abstrakt und konkret zugleich, zieht einen Bogen vom Kleinen zum großen Ganzen und umgekehrt. Dem Album liegt eine CD der Gruppe Accordzéâm mit Antikriegsliedern bei, der Tardis Frau Dominique Grange angehört. Tardi und die Band bestritten mit dem gemeinsamen Projekt diverse Konzerte mit Comiclesung (Edition Moderne). Einen ganz anderen Umgang mit dem Grauen der Geschichte hat Joann Sfar. Er erzählt auch in dem fünften, abschließenden Band „Tollhaus Kischinew“ seiner Reihe „Klezmer“ von einer handvoll Musiker, die durch Osteuropa ziehen. Durch sie lernen wir die jüdische Kultur kennen und den Antisemitismus, dem sie ausgeliefert sind. Und wir erfahren von den Reaktionen auf die fortwährende Anfeindung, die in die Flucht nach Palästina mündet oder in den sicheren Tod für diejenigen, die in Europa bleiben. Denn das Pogrom in Kischinew im Jahr 1903 ist erst der Anfang… Aber Sfar zeigt nicht nur Leid. Er feiert die jüdische Kultur und allem voran die Musik. Jedes seiner vibrierenden Bilder transportiert die Lebendigkeit dieser Kultur, jedes Bild scheint zu seiner Musik zu tanzen (Avant Verlag).
Die japanische Zeichnerin Kan Takahama ist keine Mangaka im klassischen Sinn. Ihr Stil ist viel zu sehr vom europäischen Comic beeinflusst. Das Interesse an Europa findet man auch in ihren Stories, die den transkontinentalen Spagat thematisieren: „Zwei Espresso“ erzählt von einem französischen Comiczeichner, der in einer persönlichen Krise nach einer Frau sucht, die er vor 17 Jahren zufällig kennenlernte: Mit einer Japanerin hatte der damals 25-Jährige ein romantisches Treffen, dass er in den Jahren ordentlich mit Projektionen aufgeladen hat. Was er davon in Japan findet, erzählt Takahama in ihrer tragikomischen Geschichte mit allerlei Verwicklungen (Carlsen). Tommi Musturi schickt in seinem wortlosen Comic „Sozusagen Samuel“ einen amöben- und geisterhaften Protagonisten durch eine quietschbunte Welt, die aber nicht immer freundlich ist. Es fängt schon mit der Geburt aus einer Träne an und geht ebenso tragisch wie surreal weiter. Zwischendurch finden sich dann sogar ein paar rührende Augenblicke in diesem nur vage narrativen, grafisch dafür umso berauschenderen Panoptikum des Daseins (Reprodukt).
Wer einen behüteteren Zugang zu den Dramen dieser Welt sucht, wird bei Hergé fündig. Und wem „Tim und Struppi“ noch zu heftig ist, der nehme Hergés „Abenteuer von Jo, Jette und Jocko“ zur Hand, die in der zweiten Hälfte der 30er Jahre entstanden. Das anvisierte Publikum sind Kinder im Alter der Protagonisten: Im Stil exakt wie Tintin gehalten, erzählen auch die beiden nun neu aufgelegten Bände von „Die Stratonef H-22“ von den Geschwistern Jo und Jette und ihrem Vater, einem Ingenieur, der in üble Machenschaften verwickelt wird (Carlsen).
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