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Handelsüberschüsse
Foto: Gina Sanders / Fotolia

Fairness jenseits von Ökolatschen und McKinsey

26. Juli 2018

„Ökorausch“ und „Social Value“ in Köln

Die Symptome der globalen Erderwärmung sind mehr als deutlich. Gut, dass es Kreative gibt, die sich mit diesem dringlichen Thema beschäftigen, z. B. die Initiatoren des Ökorausch-Festivals (Eigenschreibweise: ökoRAUSCH). Doch wer bei „Öko“ an Biolatschen oder Räucherstäbchen denkt, liegt daneben. Es ist eher ein Rausch und Austausch an jungen, modernen und internationalen Ideen, die sich einmal im Jahr, seit 2017 alle zwei Jahre, mit einer mehrtägigen Ausstellung und kreativen Workshops präsentieren. Das Büro der Gründerin des anhaltenden Rausches, Dunja Karabaic, „bureau gruen“, in Ehrenfeld ist freundlich, stylisch und grün. Karabaic trägt keine Ökolatschen. 2008 veranstaltete die Designerin und Kulturmanagerin, die an der Kunsthochschule in Hamburg visuelle Kommunikation studierte, zum ersten Mal Ökorausch als Festival für Design und Nachhaltigkeit, das ein Jahr zuvor geplant wurde und so im letzten Jahr sein zehnjähriges Bestehen feierte.

„Ich wollte etwas Nachhaltiges und wirklich Sinnvolles initiieren“, so die 45-Jährige. Also wechselte sie die Seiten – von der Designerin zur Organisatorin und Kulturmanagerin. „Mit unserem Thema haben wir anscheinend einen Nerv getroffen.“ Die Resonanz war gleich immens groß. Beim ersten Mal prüften sie und ihre Mitarbeiter akribisch genau mittels eines Fragebogens, wo und wie die Klamotten derjenigen, die ausstellen wollten, tatsächlich hergestellt wurden. „Teilweise mussten wir deshalb anfangs sogar Leute ablehnen“, so Karabaic, die sich schon immer für Nachhaltigkeit und Umweltschutz interessierte. „Es gibt nun mal nur eine Welt.“ Aber in seiner Freizeit Müll zu trennen und Ökostrom zu benutzen, oder dies beruflich in die Tat umzusetzen und davon leben zu können, sind zwei ganz verschiedene Dinge. „Jeder Einzelne muss gucken, wie er seine eigenen Ansprüche herunterschrauben kann. Das fängt beim eigenen Auto an und zieht sich über mehrere Dinge wie Strom, Müll, Plastikverbrauch. Wir wollen aber kein reines Ökolabel, wir wollen schon Lametta, damit sich unser Produkt auch gut verkauft“, lacht Karabaic. Überhaupt lacht die Ökodesignerin viel. Freundlichkeit und Offenheit sind hier Programm, das Schöne liegt im Guten. „Ich verstehe nicht, warum sich das ausschließen soll. Öko bzw. Nachhaltigkeit, Fairness und Verkauf. Manche lachen darüber und sagen, das sei ganz klar wichtig, aber das könne man doch nicht ernsthaft verkaufen. Für mich schließt sich das aber nicht aus. Öko muss nicht gleich nur Räucherstäbchen und Ökosandale sein. Ökodesign ist viel viel mehr als das.“ Die Themen Umwelt und Mensch ziehen sich dabei vom Druck über das Material bis hin zur Verarbeitungsweise. Die Fragen dabei lauten: Ist das fair? Ist das nachhaltig? Ist das menschenwürdig? Das Motto: „Be green. Be slow.“

2012 vollzog sich eine Wende – seither ist Ökorausch entschieden international aufgestellt. Doch wie verkauft man die Idee, nicht zu verpacken, ohne Verpackung? „Es ist wichtig, dabei ein gut funktionierendes Netzwerk aufzubauen, damit es auch funktioniert“, so die visuelle Kommunikationsdesignerin. In Köln klappe die Zusammenarbeit als Community ganz gut. Nicht umsonst heißt es ja auch „Kölner Klüngel“. Neben den Ausstellern gibt es bei dem Festival,  das 2017 mit dem Qualitätssiegel „Projekt Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet wurde, zahlreiche Experten, die zur Nachhaltigkeit referieren, um den Besucher zum Nachdenken anzuregen. Die Bandbreite der ausgestellten, gerechten Produkte variiert – von fair produzierten Klamotten, Möbel- oder Designprodukten über soziale und umweltbezogene Real Life-Experimente, politischen und kritischen Themen bis hin zu ironischen sowie futuristisch anmutenden Ideen wie z. B. QR-Codes mit Message.

Die Frage, inwiefern Handel fair sein kann, wird bei „Social Value“ in Köln-Nippes noch deutlicher, ist dieses doch kein Projekt oder Festival, sondern ein Unternehmen.  Wenn man in die Firma mit Moralanspruch hineingeht, wird man lächelnd mit vollem, richtigen Namen angesprochen und mit einem nachhaltigen Kaffee begrüßt. Aber nicht etwa von einem Praktikanten. Geschäftsführer Lukas Dopstadt, der BWL, Soziologie und Psychologie studiert hat, ist ein untypischer Chef. Sein Büro ist eher übersichtlich. Er trägt keine Krawatte und zeigt keine Allüren. Dafür wird hier Ökostrom angezapft. In seiner 14-köpfigen Firma „Social Value“, die in diesem Jahr ebenfalls ihr 10-jähriges Bestehen feiert, gibt es keinen Praktikanten und keine Kurzzeitverträge; auch keinen Dresscode. Stattdessen schätzt der 34-Jährige, der zuvor in einer klassischen Agentur gearbeitet hat, Fairness und den Wert eines jeden Menschen. „Fair sich selbst und Anderen gegenüber zu agieren, ist das Motto“, so Dopstadt, „Dinge kritisch zu hinterfragen und die Gesellschaft zu reflektieren die Aufgabe“. Social Marketing nennt sich so etwas. „Social Value“ organisiert deutschlandweit für Unternehmen Spenden- und Sponsoring-Wettbewerbe, überwiegend im Internet. In eine Schublade stecken lassen will sich die Firma, die immerhin inzwischen über 11 Millionen Teilnehmer angelockt hat, aber nicht. Weder in die klassische Öko- noch in die reine Agentur-Ecke: „Social Value“ will selber nicht diskriminieren, deshalb lassen sie jeden als potenziellen Partner zu, solange jener nicht diskriminierend oder rassistisch ist. Von NGOs über Schulen, diverse Bildungs- und soziale Projekte, nachhaltige Umweltthemen  bis hin zum Schützen- und Tierverein ist alles mit dabei. Verbiegen tut sich das Unternehmen dabei nicht.„Wir machen keine Badenixe“, lacht Dopstadt. „Es gibt zwar weniger äußere Zwänge, aber dafür erzeugen unsere Projekte einen gewissen Wertedruck“, so der Chef, der keiner sein will. Denn: „Chefallüren haben immer etwas mit Macht und Egozentrik zu tun. Wenn ich in meinem kleinen Mikrokosmos bereits allürenhafte Dinge tue, wie spiegelt sich das dann erst auf der Makroebene wider?“ Nichtsdestotrotz ist der Umsatz in dem sozialen Unternehmen im Laufe der Jahre stetig gestiegen und die Nachfrage konstant gewachsen.

Social Value und Ökorausch in Köln beweisen, dass Handel durchaus sozial und gerecht sein kann, und dass es dazu weder Räucherstäbchen noch Ökolatschen bedarf. Daneben gibt es in der Domstadt noch weitere Projekte – wie die Fairtrade Night, die Critical Mass Köln, eine Fahrradtour, um die Straße vorübergehend wieder zu einem öffentlichen Lebensraum zu machen, das Foodsharing-Projekt Fairteiler sowie die Radkomm #4, die sich für bessere Radwege in gesamt NRW einsetzt, und an der Akademie Ecosign kann man faires Design studieren. Auch wenn Köln von außen immer ein wenig grau und schmutzig aussieht, ist es, was Nachhaltigkeit betrifft, gar nicht so schlecht. Nicht zuletzt bekam es den Titel „Hauptstadt des fairen Handels“ verliehen.


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Rebecca Ramlow

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