Das Bienen- und Insektensterben ist eine ökologische Krise, die dank der häufigen Berichterstattung auch in den Köpfen der breiten Bevölkerung ankommt – spätestens, seit im vergangenen Jahr eine Studie des Entomologen Vereins Krefeld das diffuse Gefühl vieler Menschen, dass die Frontscheiben der Autos bei Überlandfahrten so verdächtig sauber bleiben, mit konkreten Zahlen unterfütterte: Danach ist die Biomasse der Insekten in Deutschland in den vergangenen knapp 30 Jahren um weit mehr als 70% geschrumpft. Dass dies eine besorgniserregende Entwicklung ist, ist vielen bewusst, dennoch ranken sich viele Missverständnisse um das Thema, gerade wenn es um Bienen geht. So denken die meisten Menschen bei dem Wort „Bienensterben“ an die Honigbiene, doch dieser geht es als Nutztier vergleichsweise gut, gerade in einer Stadt wie Köln: Hier hat die Imkerei, wie auch in anderen Großstädten, eine Renaissance erfahren. Parallel zu Trends wie Urban Gardening haben viele Großstadtbewohner die Imkerei als Hobby für sich entdeckt und Gärten, Balkone oder Dachterrassen mit Bienenstöcken bestückt. Auch Iris Pinkepank und Stefanie Breil, beide Mitglied im Kölner Imkerverein, sind Anfang der 2010er Jahre auf den Geschmack gekommen. „Mein Mann ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte als Kind schon Bienen, der hat mich darauf gebracht“, sagt Pinkepank. Breil hingegen hatte die Imkerei im Elternhaus in der Eifel kennengelernt, sich selbst jedoch erst wieder in der Stadt dafür interessiert. „Heute arbeiten etwa 150.000 Arbeiterinnen für mich“, meint sie lachend.
Tatsächlich finden Bienen in der Stadt inzwischen deutlich bessere Bedingungen vor als auf dem Land: Hier stehen ihnen in Gärten und auf Brachflächen vielfältigere Lebensräume mit einer deutlich höheren Artenvielfalt von Blühpflanzen zur Verfügung, als auf den ausgeräumten, von Pestiziden belasteten Fluren der landwirtschaftlichen Flächen, die von unerwünschten „Unkräutern“ weitgehend befreit sind. Genau dies macht den eigentlichen Opfern des Bienensterbens zu schaffen, den 560 Arten von Wildbienen und Hummeln, die in Deutschland vorkommen: Etwa die Hälfte von ihnen finden sich inzwischen auf der Roten Liste bedrohter Arten wieder. Um mehr Aufklärung zu leisten, haben Pinkepank und Breil zu Beginn des Jahres die Initiative HonigConnection gegründet, mit der sie das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Thematik schärfen wollen. „Vielen Leuten ist es bereits bewusst, dass es ein Insektensterben gibt, und dass das irgendwie nicht gut ist“, meint Pinkepank, „dieses ‚irgendwie‘ wollen wir auffüllen, wollen es konkretisieren.“
Dafür stellen sie sich auch schon einmal in Imkermontur in Kölns Fußgängerzonen und verschenken Balkonblumen an Passanten. Hauptsächlich aber verfolgen sie parallel zwei Strategien. „Auf der einen Seite wollen wir imkerliches Wissen und wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Fachkreisen herausholen und so in die Öffentlichkeit bringen, dass es auch Menschen erreicht, die sich bisher noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben“, sagt Breil. So haben sie für das laufende Jahr bereits eine umfangreiche Vortragsreihe organisiert, in der sowohl praktische Tipps für den Bau von Bienenstöcken, als auch die ökologischen Hintergründe behandelt werden. „Dafür möchten wir an Orte gehen, an denen wir die Menschen auch erreichen“, so Breil. Eine Veranstaltung im Mai mit dem Forscher und Autor Randolf Menzel, der über Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide referieren wird, wurde etwa in einen Hörsaal der Universität verlegt. „Da können wir mit 300 Zuhörern rechnen“, sagt Pinkepank zuversichtlich.
Die andere Stoßrichtung der HonigConnection zielt auf Schulen ab. „Wir möchten den ganzen Themenkomplex in die Lehrpläne integrieren, und zwar fächerübergreifend“, kündigt Breil an, „Bienen und Honig sind eben nicht nur ein Thema für Biologie oder Chemie, genau so sehr spielen sie eine Rolle in Geschichte, Religion oder Kunstgeschichte.“ An dieser Front arbeiten sie mit dem Bildungsdienstleistungsunternehmen KultCrossing zusammen, konkret geplant ist etwa ein Fotowettbewerb für Grundschulkinder, die in ihrem Schulumfeld die Artenvielfalt dokumentieren sollen.
Pinkepank betont, dass Artenvielfalt unter bestäubenden Insekten ganz konkrete Bedeutung für die Wirtschaftsleistung der Landwirtschaft hat. „Honigbienen leisten viel, aber um ein optimales Bestäubungsergebnis zu erzielen, braucht es die ganze Bestäuberfauna aus Wildbienen, Schmetterlingen und Schwebfliegen. Das schlägt sich auch in der Menge und Qualität der Ernte wieder.“
Auch beim Umweltamt der Stadt Köln wird das Thema ernst genommen. Dort hat die Biologin Betina Küchenhoff bereits im vergangenen Jahr das Wildbienenprojekt Köln ins Leben gerufen, mit dem die HonigConnection ebenfalls zusammenarbeitet. Etwa 200 Wildbienenarten sind auf Kölner Gebiet heimisch. „Unser Ziel ist es letztlich, wieder mehr Natur in die Stadt zu bringen“, sagt Küchenhoff, „Wildbienen sind dafür ein sehr geeignetes Vehikel, weil sie mit kleinräumigen Lebensräumen auskommen, die auch in dicht besiedelten Gegenden angelegt werden können.“ Es sollen jedoch nicht nur Bürger dazu animiert werden, in ihren Gärten Wildblumenwiesen anzulegen und Rückzugsorte für Wildbienen zu schaffen, die Stadt wird auch selbst aktiv: An bisher 20 Standorten im Stadtgebiet wurden Lebensräume für Wildbienen angelegt – im Zoo, in Naturschutzgebieten, auf Friedhöfen und an Straßenkreuzungen. „Es werden im Grunde täglich mehr“, berichtet Küchenhoff. „Bürgervereine und -stiftungen kommen auf uns zu, und vor allem Grundschulen haben großes Interesse.“ Prominentester Standort ist bisher die Wiese vor dem Stadtgarten an der Venloer Straße, die in Zusammenarbeit mit der HonigConnection zu einer Wildblumenwiese umgemodelt werden soll.
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deutschland-summt.de | Die Initiative aus Berlin macht durch öffentliche Aktionen auf unsere Abhängigkeit von einem funktionierenden Ökosystem aufmerksam.
freethebees.ch | Die Schweizer Gruppe hat sich dem Schutz und Erhalt der Wildbienen verschrieben und sieht die auf Masse produzierende Intensiv-Imkerei sehr kritisch.
koelner-imkerverein.de | Der Verein dient als lokales Netzwerk unter Imkern und stellt Neueinsteigern vor Ort Basiswissen zur Verfügung.
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