Pulheim liegt nur ein paar Kilometer entfernt. Dem Kölner ist das Städtchen vielleicht nur als Ansiedlung inmitten weitläufigen Ackerlandes bekannt. Als höchste Schatten spendende Pflanze gilt hier die Zuckerrübe. Vielleicht kennt er den Stadtteil Brauweiler, wo in einer ehemaligen Abtei lange Zeit psychisch Kranke ihr Leben fristeten.Im Verwaltungsgebäude daneben hatte sich einst die NSDAP Köln einquartiert. Bekanntester Sohn der Stadt in der Jetztzeit dürfte Jürgen Rüttgers sein. Der ehemalige NRW-Ministerpräsident wohnt hier seit Menschengedenken. Ein kritisches Magazin sprach einmal mit Blick auf die dörfliche Umgebung von „Jürgens kleiner Welt“. Doch fast unbemerkt hat sich einiges an Kölns Stadtrand getan. In der umgebauten Abtei Brauweiler finden heute Ausstellungen, Lesungen und Konzerte statt. Es gibt eine Gedenkstätte, die an die Nazi-Zeit erinnert. Mit dem „Kunstprojekt Synagoge Stommeln“ kann das Städtchen einen international anerkannten Ort für Gegenwartskunst vorweisen. Der Abtei gegenüber baut jetzt die Paul-Kraemer-Stiftung unter anderem 15 Atelierwohnungen, vier davon rollstuhlgerecht. Hier sollen „ältere, mittellose, aber qualifizierte Künstler aus den Bereichen Musik, Malerei und Literatur ein Zuhause finden“, so die Stiftung. Ihr Vorsitzender Johannes Ruland: „Die Entwicklung der Abtei zu einem Kunstzentrum von landesweiter Bedeutung erhält durch das Leben und Wirken der hier demnächst wohnenden Künstler eine maßgebliche Ergänzung.“
Ein überregionales Kunstdepot
Mit dem „Kunstzentrum von landesweiter Bedeutung“ meint Ruland ein Projekt, das Jürgen Rüttgers 2007 noch in seiner Zeit als Landesvater angestoßen hat und das er sogar „europäisch“ verortete. Hier sollte ein „Depot für nachgelassene zeitgenössische Kunst“ entstehen, „eine Visitenkarte unserer Zeit“. Oder auch „ein Zeichen regionaler Kulturkompetenz im Land NRW“, so nannte Jürgen Wilhelm, Präsident des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) das über 20 Millionen teure Vorhaben, das er als Bauherr betreut. Mit im Boot war auch die Stiftung Kunstfonds – sie hat inzwischen die fachliche Leitung übernommen. Das Land NRW wollte freilich mehr, auch der Bund sollte mitmachen, dazu andere Bundesländer. In Brauweiler sollten Künstlernachlässe aus der ganzen Republik eingelagert und vielleicht restauriert werden. Um das Depot mit „Schaumagazin“ und Ausstellungshalle auf Dauer finanzieren zu können, sollten die Partner via „Mietzahlungen“ an den Kosten beteiligt werden. Über den mit dem Vorhaben verbundenen immensen Raumbedarf sprach man weniger.
In einem ersten Schritt wurde zunächst der Gutshof der Abtei für knapp 3 Mio. Euro zur Endlagerstätte für Künstlernachlässe umgebaut. In den Ställen hausten früher Kühe und Schweine. Gerade wird der Nachlass des 2008 verstorbenen Künstlers Karl Marx erfasst. Dazu gehören das Katalogisieren und Fotografieren der teils großformatigen Gemälde. Das ist recht aufwändig. Und nicht immer ist die Entscheidung für die Aufnahme ins Archiv so unumstritten wie bei dem ehemaligen Professor der Kölner Werkschulen. „Das Prüfen der Arbeiten auf ihren kunsthistorischen Wert ist oftmals ein langwieriger Prozess und dauert Jahre“, bekennt Karin Lingl von der Stiftung Kunstfonds. Aber die Arbeit lohne sich. Gerhard Wind zum Beispiel. Der „Konstruktive“ verstarb 1992. Wer weiß noch, dass Wind 1959 und 1964 an der Dokumenta in Kassel teilnahm? Nun lagert sein Werk neben anderen in den inzwischen fast schon übervollen Regalen. Eigentlich müssten neue Räume her. Doch seit der Landtagswahl im vergangenen Jahr geht es nicht so recht weiter. Der einstige Mentor Rüttgers ist nur noch einfacher Landtagsabgeordneter, die neue rotgrüne Landesregierung beschloss, nicht nur seine Entscheidungen zu Brauweiler zu prüfen. Also Pause in Pullheim. Inzwischen löst sich die Schockstarre in der Region. In seltener Einmütigkeit wollen die CDU und die SPD des Rhein-Erft-Kreises das nicht ganz preiswerte Vorhaben fortführen.
Weiterbauen?
Schon jetzt stünde ein Ausbau der Raumkapazitäten an, ganz zu schweigen von der in den ursprünglichen Plänen auch vorgesehenen futuristischen Ausstellungshalle. Das Gebäude, für das ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben war, schlüge mit zehn Millionen zu Buch. In seinem Tiefkeller sollte u.a. ein „Schaumagazin“ eingerichtet werden. Schräg gegenüber war schließlich ein weiteres zweigeschossiges Depotgebäude geplant, Kostenpunkt auch hier zehn Millionen. Die feierliche Eröffnung war ursprünglich für 2012 vorgesehen. An der Finanzierung wollte sich damals der Bund mit 2,5 Millionen beteiligen. Doch das war einmal.
Die Ausstellungshalle ist für den Kunstfonds verzichtbar. „Viel wichtiger ist für uns, zeitgenössische Kunst neu zu entdecken und wieder öffentlich zu machen“, so Lingl. Man will sich also mehr der Forschungs- und Archivarbeit widmen. Dazu sollte die nachgelassene Kunst in den Depots „auf ewig“ ruhen und ihrer Wiederentdeckung harren können.
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