Mitte November reagierte die Plattform KulturNetzKöln mit Vorschlägen und Forderungen auf den erneuten Lockdown, der eine Schließung der meisten Kulturstätten beinhaltete. Das Positionspapier aus der Kulturszene hatte das Ziel, „öffentliches Leben und die konsequente Eindämmung der Pandemie“ besser zu vereinbaren. Die unterzeichnenden Institutionen – von freien Theatern über Musik und Literatur bis Kunst –, forderten im Kern „finanzielle Unterstützung, die konsequente Gleichbehandlung von Kunst und Kultur mit anderen Bereichen der Gesellschaft wie Bildung, Religion oder Handel, die Gewährleistung einer gewissen Planungssicherheit sowie die rasche und verlässliche Genehmigung von Veranstaltungen und Hygieneschutzkonzepten“. Dietmar Kobboldt, geschäftsführender Vorstand des Netzwerks und Leiter der Studiobühne, beantwortete uns vor wenigen Tagen Fragen per E-Mail.
choices: Herr Kobboldt, die Theater sind zu, das Ansteckungsniveau bleibt hoch. Können Theater dann genauso gut wieder öffnen?
Dietmar Kobboldt: Die nach wie vor bedauerlich hohen Zahlen, sowohl was die Neuinfektionen als auch was die Todesfälle betrifft, zeigen, dass die aktuellen Maßnahmen nicht den gewünschten Effekt erzielen. Ich bin kein Virologe, überlege aber ganz persönlich immer wieder, ob der eingeschlagene Weg zielführend ist. Durch die Beschränkungen werden die Menschen in nicht kontrollierte private Zusammenhänge ohne Hygienekonzepte gedrängt. Bislang ist kein Fall bekannt, dass von einer Kultureinrichtung ein Infektionsgeschehen ausgegangen wäre – wohl bemerkt: nicht bekannt! Auf jeden Fall wäre der Besuch einer Kultureinrichtung wesentlich sicherer als sinnfreie Glühweinspaziergänge mit hundert Teilnehmer*innen, die sich an keine Vorschriften halten.
Glauben Sie an eine Wiedereröffnung in Bälde?
Nein, und für den Januar bin ich zunächst auch skeptisch. Wenn Weihnachten und Silvester die Maßnahmen gelockert werden, wird sich das Infektionsgeschehen im Januar mit Sicherheit weiter verschärfen.
Wie steht man in der Kölner Theaterbranche den Eindämmungsmaßnahmen gegenüber, wie den temporären Schließungen?
Alle Kultureinrichtungen haben im September und Oktober mit gut durchdachten Hygienekonzepten wieder geöffnet, ohne bekannten Infektionsfall. Diese Maßnahmen sind lästig aber absolut notwendig. Von daher werden sie von allen Kolleg*innen begrüßt und befolgt. Temporäre Schließungen können wir nur akzeptieren, wenn sie uns gegenüber vernünftig begründet werden. Das war im Frühjahr definitiv der Fall, aktuell ist es jedoch schwer, die Schließungen zu verstehen, wenn andererseits alle Geschäfte wieder geöffnet haben und am Black Friday die Schildergasse völlig überlaufen ist.
Was für Veranstaltungsbeschränkungen halten Sie und Ihre Kollegen für sinnvoll, gegenüber solchen Schließungen?
Je nach Infektionslage: Konsequenter Abstand, notfalls auch vernünftige Begrenzung der Zuschauer*innen-Zahlen (das hatten aber alle Theater ohnehin umgesetzt, auch wenn es gar nicht gefordert war); regelmäßige, gründliche Desinfektionen; gute bis sehr gute Lüftung; Mund-Nase-Schutz (bei hohen Infektionszahlen auch während der Vorstellung); konsequentes Kontakt-Tracing.
Glauben Sie, dass individuelle Genehmigungsverfahren für Veranstaltungen, wie das KulturNetzKöln sie fordert, von der Kölner Verwaltung zu schaffen wären?
Ich glaube schon, aber das müssten Sie die Verwaltung fragen.
Wurde in den letzten Wochen etwas von den Vorschlägen aufgegriffen?
Ich denke schon. In der neuen Ratsvorlage des Kulturamts steht ja schon etwas drin.
Gibt es gegenüber dem Sommer neue Erkenntnisse, die in den nächsten Monaten helfen könnten, die Theater offen zu halten und sicher zu machen?
Wir haben uns alle bemüht, sehr gute Hygienekonzepte zu entwickeln – offensichtlich ja auch mit Erfolg. Wir wurden ja schon im Sommer als „Streber“ belächelt, weil wir mit unseren Maßnahmen über das geforderte Maß hinausgingen. Von daher gibt es keine neuen Erkenntnisse, weil sich die bisherigen bewährt haben.
Können Sie uns etwas zur finanziellen Lage der Theater sagen – muss man sich angesichts staatlicher Hilfen Sorgen machen?
Rettungschirme funktionieren zunehmend besser, weil auf die individuelle Lage von Kunst und Kultur Rücksicht genommen wird und weil mit unseren Gremien im Vorfeld über diese Maßnahmen gesprochen wird. Wichtig ist jetzt, die staatlichen Hilfen ins Jahr 2021 hinein zu verlängern (sieht bislang ganz gut aus) und für eine zeitnahe Auszahlung der Hilfen zu sorgen.
„Geister ungesehen“ hat am Sonntag bei den Kölner Theaterpreisen den Kurt-Hackenberg-Preis für politsches Theater gewonnen. Was können Sie uns zu Ihrer langen Zusammenarbeit mit Daniel Schüßler sagen? Wie wird gefeiert?
Gefeiert wird natürlich später, von Gratulationen abgesehen. Sie haben recht, es ist eine langjährige Zusammenarbeit, entsprechend lang würde meine Antwort ausfallen. Als Kurzversion: ist toll, macht Spaß, ist sehr (!) kollegial und immer wieder inspirierend.
Welche anderen Eigenproduktionen würden Sie lieber heute als morgen auf die Menschen loslassen?
„Zähmung“ von Tim Mrosek und nochmals „Killing Anton“ von Port in Air.
Wissen Sie etwas von der Stimmung bei den Proben anstehender Produktionen?
Konzentriert mit Galgenhumor, weil ja niemand weiß oder wusste, ob Proben auch zu Aufführungen führen werden.
Gibt es in dieser Zeit etwas, das vor Ort in Köln entschieden werden kann und sollte, vielleicht sogar unter Mitsprache von Kulturvertretern?
Viel kann die Stadt Köln ja gar nicht selbst entscheiden. Die Regeln des Landes müssen umgesetzt werden. Wichtig wäre ein Umdenken bei der Kulturförderung: nicht nur neue Projektgelder bewilligen für Projekte, die ja aktuell gar nicht umgesetzt werden können, sondern bewusste Förderung z.B. von Recherchen, Stipendien etc... Wichtig wäre auch die Schaffung einer Hotline, bei der Kulturschaffende, auch Abends und am Wochenende, Auskunft über aktuelle Regelungen, und was diese vor Ort bedeuten, erhalten können.
Haben Sie gestreamte Kulturveranstaltungen gesehen, und was war ihr Eindruck?
Einige. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, war es immer nur ein Ersatz, der mir deutlich gemacht hat, auf was wir eigentlich verzichten müssen: das Live-Erleben.
Info: Positionspapier KulturNetzKöln
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