Die Illustrationen von Philip Waechter sind ungewöhnlich detailgenau; die Pointe hängt hier manchmal von Millimetern ab. Keine leichte Aufgabe, Waechters Bildwelten auf die Bühne zu transportieren. Manchmal liegt die Lösung aber auch darin, eine eigene Ästhetik zu entwickeln. In der Comedia, die sich schon eine schöne Tradition damit erworben hat, Bilderbücher für das Theater zu gewinnen, besitzt man den Mut, neuen Ideen zu folgen.
Wenn es einen Preis für das beste Bühnenbild der Spielzeit in Köln gäbe, dann müsste er an Andrea Kramer und Sabine Kreiter gehen. Für die Dramatisierung des „Krakeeler“, der den Fantasiewelten von Philip Waechter und Moni Port entsprungen ist, haben sie Regie und Ausstattung übernommen. Statt den filigranen Schnörkeln von Waechter zu folgen, bekommt man wuchtige Striche in Rot und Gelb und Blau und Grün geboten, die Wände und Boden beherrschen. Es wird in einer Art Farbkaskade gespielt. Zur optischen Kulisse fügt sich die akustische, die aus einer feinen Komposition mit freudig-melancholischen Klängen von Frieder Zimmermann besteht. Ein perfekter Raum für das Drama um den „Krakeeler“. Der Krakeeler, das ist der Vater (Franco Melis), der immer lärmt und schreit und Stress verbreitet. Während Mutter und Tochter (Dorothea Förtsch, Marlene Zilias) eine Engelsgeduld besitzen, steht er permanent unter Druck und tyrannisiert mit seinem Zorn die Familie.
Die Comedia zeigt eine Inszenierung für Menschen ab vier Jahren, weil die schon verstehen, was hier falsch läuft. Aber auch eine für alle Altersklassen darüber, weil ein sensibles, psychologisch dicht gezeichnetes Charakterbild entworfen wird. Schon das Bilderbuch von Philip Waechter lässt sich auf differenzierte Emotionen ein, die Inszenierung gewinnt noch Komplexität hinzu. Sie zeigt, wie man den lauten Menschen, die nur mit sich selbst beschäftigt sind, den Spiegel vorhält, sie aufmerksam macht. So zieht sich der Dialog zwischen laut und leise durch Farben, Klänge und das pointierte Spiel der drei Darsteller. Motive und Gesten greifen mit einer Konsequenz ineinander, dass sich die Spannung wie selbstverständlich bis ins letzte Bild zieht. Ein Kunstwerk, das die Lust aufs Sehen und Hören entfacht.
„Der Krakeeler“ | R: Andrea Kramer | nächste Vorstellungen: 16.-19.6. | Comedia, Vondelstr. 4-8 | www.comedia-koeln.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Freiheit oder Ausgrenzung?
„Draußen“ im Jugendpark Köln-Mülheim – Prolog 03/25
Im Schatten der Diktatur
„Jugend ohne Gott“ am Comedia Theater – Theater am Rhein 03/25
Für die Verständigung
Stück für Gehörlose am CT – Theater am Rhein 03/24
Nummer 4 im Klima-Quartett
Maja Lunde liest in Köln – Lesung 04/23
Reißen am Korsett
„Bye, Bye Hochkultur“ von Familie Rangarang – Bühne 11/20
Es ist egal, wo die Nudel hängt
Amüsante Sonderlinge: Kindertheaterstück „Die Prinzessin kommt um vier“ in der Comedia – Bühne 01/19
Am linken Flügel
Lockenkopf Martin Zingsheim ist in guter Gesellschaft – Komikzentrum 09/18
Lachmuskeltraining à la carte
Starbugs zeigen in der Comedia, wie es geht – Komikzentrum 05/18
Es lebe das German Liedgut
Betty LaMinga, Niki Ankenbrand und Horst Evers brillieren – Komikzentrum 03/17
Make your lives great again!
„Villa Utopia“: Junges Theater von Manuel Moser in der Comedia – Bühne 01/17
Weissager und Kotzbrocken
Michael Hatzius und Rolf Miller räumen gründlich auf – Komikzentrum 09/16
Aufklärer mit Grips und Gags
Netenjakob, HG. Butzko und Zingsheim machen Lachen – Komikzentrum 05/16
Wohin, David?
„Mein Onkel David“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 08/25
Vergessenes Weltwunder
„Mein Freund, der Baum, sieht rot“ am Casamax Theater – Theater am Rhein 07/25
Unter blauäugigen Hunden
„Traudl Junge – Im Schatten des Bösen“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 06/25
Wieder Mensch sein dürfen
„Das Tagebuch der Anne Frank“ im Leverkusener Erholungshaus – Theater am Rhein 05/25
Fragen als Gemeinsamkeit
„Hiob“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 05/25
Raus ins Leben?
„Draußen“ in der Kölner Stadthalle Mülheim – Theater am Rhein 05/25
Der Übermann
„Boys don‘t cry“ in der TanzFaktur – Theater am Rhein 04/25
Zwischen den Fronten
„Making the Story“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/25
Die Grenzen des Theaters
„Was ihr wollt“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/25
Der Mensch als Scherbe
„Der zerbrochene Krug“ am Horizont Theater – Theater am Rhein 03/25
Totale Berührung
„Do not touch!“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 03/25
De Rach vun der Fleddermus
„De Kölsche Fledermaus“ an der Oper Köln – Theater am Rhein 02/25