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Foto: Maren Lupberger

Das Zahngold der Kultur

25. April 2013

Nazi-Raubkunst – ein heikles Thema? – Magenbitter 05/13

Da kram ich mal in alten Schubladen und dann das. Ein Heftchen merkwürdigen Inhalts, irgendwann mal geliehen, aus unerfindlichen Gründen nie zurückgegeben, und dann auch einfach behalten. Dummerweise ist diese eigentlich schon fast bibliophile Rarität nichts wert, kein Grund also, sich über die Möglichkeit eines Wertzuwachses über die Jahrzehnte und dessen Verteilung Gedanken zu machen. Was wäre, wenn es ein wertvolles Gemälde, ein Nolde, ein Klee oder gar ein Pik-As (Oh!) gewesen wäre, der vielleicht in der Verwandtschaft in dunkler Zeit über dubiose Kanäle, oder getauscht für ein Pfund Butter mit einem Unbekannten in meinen Besitz gelangte, gar Nazi-Raubkunst? Würde mir an diesem Werk etwas liegen, würde ich es publik machen, mich im hellen Medienschein sonnen oder es doch mit bösem Blick wieder ins Pergament wickeln? Meins!

Meins? Natürlich nicht. Insofern kann Nazi-Raubkunst, wie gerade wieder aktuell behauptet wird, kein heikles Thema sein. Die Bilder gehören den Eigentümern, und wenn nicht mehr auf diesem Planeten, dann den Erben. Punkt. Damit wäre die Sache ja geklärt. Denkste. Meist liegt den neuen Besitzern etwas an den Werken von großen Namen, oft ist es toll, sich im hellen Medienschein dafür zu sonnen, schließlich hat man sich nicht auf so einen lukrativen Museumschefsessel geschleimt, gekratzt und hingebissen, dass man nun vielleicht eine Attraktion verliert, einfach so. Da wird sich aber erst einmal gewehrt mit juristischen Steuergeldern und mit gruseligen Tricks für den NS-Raubkunst-Besitzer. Fall 1 spielt in Köln. Es geht um das „Portrait Tilla Durieux“ (1910) von Oskar Kokoschka, hängt im Museum Ludwig und ist ein paar Milliönchen Euro schon wert. Nun soll es tatsächlich an die Erben des jüdischen Galeristen Alfred Flechtheim zurückgegeben werden. Nach jahrelangem Rechtsstreit, natürlich nicht, ohne von der Stadt auf die „unübersichtliche Quellenlage" hinzuweisen, natürlich sei das ein Einzelfall, der sich nicht auf andere Restitutionsbegehren übertragen lasse, denn da lauern schon andere Eigentümer hinter dem Horizont.

Fall 2. München. Ein bisschen Rot und Grün und gelbe Flecken, dazwischen weiß gekritzelte Menschen, Gebäude, Undefinierbares. Paul Klees Gemälde „Sumpflegende“ galt einst als Beispiel für Geisteskrankheit, der Künstler floh in die Schweiz, die damalige Besitzerin wurde enteignet. Die Erben von Sophie Lissitzky-Küppers fordern jetzt das abstrakte Bild zurück, denn es wurde 1941 nachweislich unter Missachtung der Rechtslage verkauft. Die Stadt München weigerte sich natürlich hartnäckig. Das Landgericht hat die Parteien nun in den Hintern getreten, sich endlich zu einigen, denn der Fall verstößt wohl gegen die Washingtoner Erklärung von 1998, wonach in der Nazizeit gestohlenes Kulturgut an die Erben der Opfer zurückzugeben ist. Kein Regelfall. Nur selten werden Gemälde der „Entarteten Kunst“ zurückgefordert. Sie lagern still und unerkannt wie Schweizer Zahngold in den Magazinen der Museen und Privatsammlungen. Ich kram weiter in meinen Schubladen, das Heftchen merkwürdigen Inhalts würde ich sofort zurückgeben, wenn ich nur wüsste, wer der Eigentümer ist.

Peter Ortmann

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