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„ligurisches objekt“, Christine Laprell, Draht, Naturmaterialien, Farbige Folie, 2024
Foto: Thomas Dahl

Das Gewicht der Gedanken

19. Juni 2024

„scheinbar schwerelos“ im Zündorfer Wehrturm – Kunst 06/24

Am Ende eines langsamen, wundersamen Aufstiegs gleiten satte Bilder wie Blätter von herbstgelabten Bäumen. Manche tänzeln, andere haben sich und ihre Welt in Gleichmut vergessen. Auf dem Grund angekommen wartet der Anfang. Die Metapher des Erhebens und Niedersinkens prägt die kryptisch-verspielte Werkschau „scheinbar schwerelos“ von Christine Laprell und Irmgard Potthoff im Zündorfer Wehrturm. Die Künstlerinnen berühren sich dabei an losen Enden mit unterschiedlichen Ansätzen.

Die Ausstellungen im mittelalterlichen Gebäude aus dem zwölften Jahrhundert sind nichts für kurze Besuche. Wer hier einkehrt, ist noch lange nicht am Ziel. Doch die Mühen werden stets belohnt. Effektvoll kuratiert präsentieren sich die Arbeiten der Künstlerinnen auf mehreren Etagen als Begegnungen zwischen Fremden namens Reduktion und Überfluss: Schwingenartige Linien mit reichlich Platz für die Weite (Potthoff) treffen dabei auf abstrakte, dicht besiedelte, in sich gewundene, scheinbar aus dem Bild ausbrechende, nervöse Auswüchse (Laprell). In welchen Dialog könnten diese so scheinbar unterschiedlichen Stile treten – oder bleibt es bei einem kurzen, beiläufigen „Hallo“? Von wegen. Das Pulsieren, Schnaufen, Flattern, Zischen, Fließen, Wehen und Knistern dieser parallelen Mikrokosmen ist nicht zu überhören. Hier drängt der Aufgang in den Untergang, um eine neue Matrix zu schaffen. Auch die Schatten spielen Hauptrollen in einem Akt der räumlichen Ausbreitung. Dabei werden selbst die Leerstellen der Leinwände in fühlbares Nichts getunkt. Der Konvention wird hier eine deutliche Absage erteilt. So offenbart sich der experimentelle Charakter des Duos bereits in den gewählten Materialien: Tusche, Drähte, Naturobjekte, Folien, Pergamin, Acryl, Öl, Kreide oder Karton gehören zum selbstverständlichen Allerlei der Werkstoffe. Mit dem zusätzlichen Fluten durch Texte, etwa Arno Schmidts erotischer Erzählung „Seelandschaft mit Pocahontas“ aus dem Jahr 1953, vertieft Laprell den Wasserpegel eines Weltmeeres aus rätselhaften Codes und klaren Zeichen. Die inspirierende Ausstellung ist auch für Nichtschwimmer zu empfehlen.          

Christine Laprell, Irmgard Potthoff: scheinbar schwerelos | bis 30.6. | Mi & Sa 15-18 Uhr, So 14-18 Uhr u. n. V. | Zündorfer Wehrturm | www.zuendorfer-wehrturm.de

Thomas Dahl

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