Lügenpresse, Mainstream-Medien, Fake News. Wir Journalist:innen wiederholen solche Schlagwörter unbedacht, als hinterfragten sie nüchtern unsere Arbeit. Sie zielen aber nicht auf Fehler, die Journalist:innen natürlich unterlaufen können, oder auf schlampigen, gar verlogenen Journalismus, den es leider gibt. Es sind stattdessen Schmähtitel für das Feindbild der Extremist:innen: die seriöse freie Presse. Übernehmen wir die rhetorischen Finten, dann spielen wir den Demokratieverächter:innen in die Hände. Wir sollten damit aufhören. Sonst befördern wir den absurden Anschein, es gäbe tatsächlich eine große Verschwörung aus Medien, Politik und Wirtschaft.
Jener Anschein kann zurückgehen auf tatsächlich bedenkliche institutionelle Verflechtungen zwischen Medien und Politik, auf Verlagskonzerne, deren Quasimonopole der Meinungsvielfalt nicht guttun oder auf lustlose Talkshows, die wie ausgemacht scheinen. Trotzdem wird in Rundfunk, Internet und Print täglich über alle politischen und weltanschaulichen Lager hinweg gestritten, setzen Redaktionen im ganzen Land alles daran, noch über das verborgenste Wirken der Mächtigen öffentlich aufzuklären.
Wer das ignoriert und sich in eine heimelige Filterblase zurückzieht, ist unter Umständen mit keinem Wort vom Gegenteil zu überzeugen. Im Monatsthema SAG DIE WAHRHEIT versuchen wir es trotzdem und möchten wissen, wie Verschwörungserzählungen entstehen und wirken und wie das Gespräch mit ihren Anhänger:innen gelingen kann.
Proteste gegen die Corona-Maßnahmen haben sehr unterschiedliche Akteur:innen auf die Straße geführt: Menschen, die ihrer existentiellen Not Ausdruck geben, Impfgegner:innen und politische Extremist:innen. Unsere Leitartikel fragen, wie den hier auftretenden Verschwörungsgläubigen zu begegnen ist, wie den berechtigten Anliegen innerhalb dieses Vielklangs Gehör zu verschaffen ist und welcher Kritik sich Protestierende aus der Öko-Szene stellen sollten.
In unseren Interviews erklärt die Sozialpsychologin Pia Lamberty, welche Strategien Verschwörungsideolog:innen nutzen, die Bürgerrechtlerin Katharina Nocun warnt, dass der Staat die Gefahr durch verschwörungsideologische Netze unterschätzt und der Esoterik-Kritiker Bernd Harder betont, dass eine Gesellschaft fähig sein muss, sich darauf zu einigen, was wahr ist.
In Köln besuchen wir eine Initiative, die mit einem Haus der Demokratie die Meinungsvielfalt stärken will, in Essen die Sekten-Info NRW, die auch in Konflikten mit Verschwörungserzählungen hilft und in Wuppertal das Medienprojekt, wo jugendliche Dokumentarfilmer:innen auch Verschwörungsgläubigen eine Stimme geben.
Mit US-Präsident Donald Trump spürt nun der prominenteste Verschwörungsideologe Gegenwind: Soziale Netze stellen seine Botschaften geschäftsmäßig öffentlich infrage. Vielleicht sind wir von einem einigenden Wahrheitsbegriff ja doch nicht so weit entfernt.
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