Die Welt ist ein Text. Wer ihn zu lesen vermag, besitzt eine Option auf die Zukunft. Seit 2012 versucht uns die Akademie der Künste der Welt Einblick in die machtpolitischen Verstrickungen der Globalisierung zu eröffnen. Wie sich die Konflikte unserer Tage zurückrechnen lassen auf die kolonialen Ambitionen Europas, beschrieb die Akademie mit messerscharfer Präzision noch bevor dieses Thema mit den Flüchtlingsströmen zu einer Schicksalsfrage der EU wurde. Die Gründer und Gründerinnen der Akademie sind Künstler und Wissenschaftler, die rund um den Globus beheimatet sind und sich alle auf ihre Weise mit dem kulturellen Zustand unserer Gegenwart auseinandersetzen. Es war eine mutige Entscheidung des Rats der Stadt Köln, die Akademie ins Leben zu rufen. Das wohlhabende Frankfurt hatte sich zum gleichen Zeitpunkt gegen die Gründung einer solchen Institution entschieden. Köln hatte aber offenbar verstanden, was derzeit notwendig ist. Es kommt nicht immer darauf an, noch eine Kunstaktion zu veranstalten, sondern ein Forum zu schaffen, in dem der Theorie Einlass gewährt wird und das Nachdenken über die Strategien des Neokapitalismus einsetzen kann. Insofern stellte die Akademie eine Quelle der Inspiration dar.
Nun offenbart sich jedoch, dass die Vorstellungen darüber, wie eine solche Institution wirken soll, recht unterschiedlich sind. Der Rat zeigte sich unzufrieden und kürzte den Etat um 40 Prozent von einer Million auf 600 000 Euro. Die geschiedene Programmleiterin Ekaterina Degot kuratierte ein interessantes Festivalangebot, das jedoch zumeist mit dem Rücken zur Stadt entwickelt wurde. Jetzt übernimmt mit der Inderin Madhusree Ditta ein Gründungsmitglied die künstlerische Verantwortung. Sie will den Blick in die Welt stärker mit dem urbanen und historischen Umfeld Kölns verankern.
Dass es nicht einfach werden würde, bekam die Neue schon gleich bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt im Museum Ludwig zu spüren. Schauspielchef Stefan Bachmann fiel ihr in den Rücken, indem er erklärte, dass die Akademie ihre Existenzberechtigung noch nicht erbracht habe. Das Schauspiel rühmte er jedoch für seine international ausgerichteten Projekte. Was er nach Ansicht von Madhusree Ditta jedoch verschwieg, war die Tatsache, dass die Akademie den Auftritt von Milo Rau und die Produktion „NSU-Komplex auflösen“ im Schauspiel maßgeblich mitfinanziert hatte. Ja, die Akademie hat nicht nur Freunde in Kölns Kulturszene, aber unzählige Anfragen von Kulturtreibenden, die gerne von ihr mit Geld unterstützt werden möchten.
Offenbar besteht aber auch ein grundsätzliches Missverständnis seit der Gründung. Denn während sich die Stadt Köln ein populäres Profil mit kräftigem Publikumszuspruch versprach, zog sich die Akademie in ihren Ankündigungstexten hinter einen Dickicht akademischer Termini zurück. Dass viele Veranstaltungen auf Englisch ohne Übersetzung angeboten werden, zieht den Kreis der Interessenten naturgemäß noch enger. Ein Problem, dass sich unter der neuen Leitung ändern soll. So wird Madhusree Dutta ein gigantisches Archiv des Kölner Kulturlebens digital ins Leben rufen, zu dem jeder Bürger und jede Bürgerin Gegenstände oder Dokumente liefern kann. Mit einem Wagen, der zum Scannen ins Haus kommt, wird man hautnah an der Gegenwart und der Vergangenheit einer Stadt arbeiten, in der die Migration schon eine Lebensader darstellte, bevor Köln überhaupt gegründet war. So kann die Akademie die Sichtbarkeit herstellen, um die sie derzeit noch kämpft.
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