Die Akademie der Künste der Welt erinnert mit einer thematischen zweisprachigen Kunstausstellung daran, dass Kopieren bis vor wenigen Jahrzehnten selbstverständlich zum menschlichen Leben gehörte. Es sei geradezu instinktiv, erklärt Kuratorin Madhusree Dutta: „Nichts ist originell – die Natur kopiert sich immer selber.“ Es sei der Markt, der entschieden habe, dass wir uns dafür schämen müssten. Die von multinationalen Konzernen mit ihren umfassenden Copyrights und Patenten dominierte, für einfache Antworten zu komplexe Debatte, was öffentlich und was geschützt sein sollte, gehöre in die Öffentlichkeit, da sie jeden etwas anginge.
„Copy It!“ – der Eintritt ist frei – zeigt Gegenstände, Örtlichkeiten und künstlerische Positionen rund um Werk und Kopie, Teilen und Zugangsbeschränkungen sowie mittendrin einen Leseraum, in dem die angeregten Gedanken tiefer in die Materie eindringen können. Einschlägige Bücher zu unterschiedlichen Aspekten der Debatte wurden gebraucht angeschafft, Kopieren ist möglich. Es gibt auch ein gläsernes Buch: „Eine große Menge Wissen ist verloren, weil wir das Abschreiben versäumt haben“, so Dutta. An den Wänden: eine grundlegende Chronologie der bisherigen Debatte mit Daten und Zitaten. Partizipieren kann man in einem Polaroid-Fotostudio mit Fotoleinwänden, die etwa einen Google-Datenserver oder den norwegischen Saatgut-Tresor hinter dem Fotografierten zeigen, oder in geplanten Workshops und Vorführungen etwa zum Xerox-Kopierverfahren.
Der erste Workshop mit dem Titel „The Rapid Publisher – Live Action Zine-Making“ (Sa 13.4., 15-22 Uhr) soll in die Kopierpraxis der Zines einführen, jene selbstproduzierten Hefte, die zum Beispiel in den 70er Jahren in der Londoner Punkszene als eigene Ausdrucksform gegenüber kommerziellen Magazinen in der Kulturszene verbreitet wurden. Kopieren bedeutet hier ganz konkret: Weitergabe, Gemeinschaft, Widerstand. Am 25.4. um 18 Uhr ist Klaus Urbons, Künstler und Gründer des Museums für Fotokopie zu Gast. Bis zum 30.4. können Interessierte sich anmelden zum Workshop „Cologne, What Is Your Mother’s Maiden Name?“ mit Max Dovey (8./9.5., 30./31.5.), um digitale Begegnungen mit der Stadt Köln in ortsspezifischen Medien festzuhalten, die im Juni in das Memory-Station-Projekt „Noordkaap Taxi“ einfließen.
Außerdem befindet sich vor Ort die erste Memory Station, die dazu auffordert, ein „öffentlicher Historiker“ zu sein. „Jeder, der einer Zeit angehört, ist ein Archiv, ohne es zu wissen“, erklärt Dutta ihr an Rhein und Ruhr mit bald neun Anlaufstationen verwirklichtes Online-Archivprojekt für NRW. Erinnerungsobjekte, auch Audio- und Videointerviews der Besucher können eingepflegt und Schlagwörtern zugeordnet werden, womit ein vielleicht signifikantes Stück individueller Erfahrung der Öffentlichkeit übergeben und als bislang unterbelichtete Geschichte lokaler Menschen entdeckt werden kann. Am 1. Mai eröffnet die Memory Station Kalk an den Lichtspielen Kalk mit eigenem Stadtteil-Programm.
Copy It! – nur für Diebe und Raubkopierer – von Büchern, Kunstwerken, Ideen... – only for those who have sinned – stolen or copied books, artworks, ideas... | bis 14.7., Fr 15-19 Uhr, Sa/So 14-18 Uhr | Academyspace | www.academycologne.org
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Im Umgang mit Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW
Woyzeck im Karneval
„kah.na.v‘aw“ in der Akademie der Künste der Welt – Kunstwandel 11/23
Utopisch denken
Ausstellung „Sci-(no)-Fi“ im Academyspace – Kunst 10/19
„Wie wird mit Erinnerungen umgegangen?“
Akademie-Leiterin Madhusree Dutta will archivieren und vernetzen – Interview 12/18
„Ich war tatsächlich ein wenig nervös“
Madhusree Dutta leitet seit April die Akademie der Künste der Welt – Interview 12/18
Mehr Schein als Sein?
Lesung und Gespräch zu „Köln kosmopolitisch“ – Literatur 12/18
Das Objekt der Begierde
„Perverse Decolonization – 1985“ im kjubh – Kunst 11/18
Unmenschliche Zeitzeugen
Die Wucherungen des Kolonialismus: „Floraphilia“ im Academyspace – Kunst 09/18
Kunst greifbar machen
Das Palais Temporär und die performativen Künste in Köln – Spezial 09/18
Gespenstische Mauerüberquerung
„Original Sin“: Susanne Sachsse & Xiu Xiu im Stadtgarten – Bühne 06/18
Sündhafte Gespenster
Susanne Sachsse & Xiu Xiu im Stadtgarten – das Besondere 06/18
Anhaltendes Missverständnis
Chancen der Akademie der Künste der Welt werden nicht genutzt – Kulturporträt 05/18
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Vor 1965
Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24
Atem formt Zeit
Alberta Whittle in der Temporary Gallery – Kunst 07/24
Niemals gleich
Roni Horn im Museum Ludwig – kunst & gut 07/24
Tage des Schlafwandelns
„Übergänge des Willens“ im KunstRaum St. Theodor – Kunstwandel 07/24