August. Auch wenn draußen noch die Sonne heizt, ist es doch nur noch ein paar Tage hin, bis uns im Supermarkt die ersten Weihnachtsmänner aus den Regalen grüßen und sich Spekulatius und Zimtsterne unter die Sonderangebote mischen. Zeit, Abstand zu gewinnen, sich mental der Frage zu stellen, was bleiben wird von diesem Jahr, das seinem Ende entgegengeht. Was war da noch? Schnee im März? Die Landtagswahl im Mai? Das „Wagnis Minderheitenregierung“? Die Löcher in den kommunalen Haushalten? Wie in Wuppertal: Geld für die Oper, nicht für Obdachlose und Bibliotheken? Oder in Köln: Planung eines weiteren Museums und Erhöhung der KITA-Gebühren? Die verfassungsfeindliche Verlängerung der AKW-Laufzeiten? Das Public Viewing am Bohrloch von BP/Aral im Golf von Mexiko? Oder das Gucken mit Fußball-WM-Fieber inklusive der Uweseelas auf den Plätzen und Bänken der heimischen Städte? Wir sind wieder nur Dritter geworden, das wollten unsere Jungs nicht schon wieder feiern. Dafür haben sie sich entschuldigt. War OK. Die Presse von Spiegel bis Welt hat das nicht gestört. Sie war schon wieder damit beschäftigt, den gewohnten Partyotismus in ein Nationalbewusstsein der besonderen Art umzuschreiben. Die Welt soll den Exportweltmeister lieben müssen oder so. Heil Ballermann. Dabei stellte sich auch die Frage nach dem „Danach“. Würde die deutsche Jugend nach der WM-Party in ein Schwarzes Loch fallen? Posttraumatische Depressionen? Da kam der Festivalsommer von den Alpen bis zu den Events der Kulturhauptstadt gerade richtig. Der längste Tisch zum Beispiel zog die Massen an die Ruhr. Auch wenn die Idee von der Severinstraße geklaut war, war die Stimmung auf der B1 sensationell gut. Sogar Uweseelas sollen zum Einsatz gekommen sein. In den ersten Bilanzen ist man an der Ruhr zufrieden mit den Besucherströmen. Viel mehr Touristen als sonst! Viel mehr Touristen? Lag das wirklich an der stillgelegten B1? Wer war der wirkliche Besuchermagnet an der Ruhr? Wer hat wirklichen Ruhm errungen, wer hatte die Weltpresse zu Gast und hat weltweit für Staunen und Verwunderung gesorgt? Wer hat kreativ sein Cluster mit dem Rest der Welt vernetzt, Engagement und Weitsicht genial verbunden? Wer hat die Region an Rhein und Ruhr einzigartig gemacht? Das war Paul. Aus Oberhausen. Neun von neun Richtigen. Das muss mehr als eine Glückssträhne sein. Kein Wunder, der Krake hat schließlich neun Gehirne. Eignet er sich da nicht ganz ausgezeichnet als Maskottchen für den Kampf gegen die deutsche Bildungsmisere? In der Kulturhauptstadt textet man schon insgeheim und international: Paul, the driving force of Germany. Schließlich macht nur das Positive den Image-Gewinn. Und wir sehen ganz entspannt den Jahresrückblicken in den großen Blättern von Spiegel bis Bild entgegen, wenn sie in großen Lettern titeln werden: WIR SIND PAUL!
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