Zwei neue, einer auf Abruf: An der Rheinschiene steht in Sachen Intendanz mal wieder alles auf Anfang. Mit dem berühmten Anfangszauber hat das aber wenig zu tun. Die Landeshauptstadt Düsseldorf hat’s komplett vergeigt. Erst schwatzt das Land der Kommune für das gemeinsam getragene Schauspiel den internationalen Intendanten Staffan Valdemar Holm auf, der dann am Beginn der zweiten Spielzeit schon das Handtuch wirft. Und aus der dann einberufenen Findungskommission wurden gleich mal ein paar Namen an die Öffentlichkeit durchgestochen, sodass mehrere Mitglieder ihren Rücktritt bekannt gaben. Und in Bonn ist Bernhard Helmich auch nur ins Amt gekommen, weil er billiger ist als sein Vorgänger – was nichts über die künstlerische Qualifikation des früheren Chemnitzer Generalintendanten aussagt. Eher etwas über das sinnlose Einrammen moralischer Grenzpfosten: Es steht immer jemand bereit, der’s zu den neuen Konditionen macht. Helmich bringt immerhin Nicola Bramkamp als neue Schauspielchefin mit, in deren Schlepptau Alice Buddenberg anheuert. Die Hausregisseurin widmet sich mit einem Doppelprojekt – Jahrestage haben auch ihr Gutes – dem 1. Weltkrieg: Mit Florian Illies‘ Roman „1913“, in dem der Vorschein der Katastrophe heraufbeschworen wird, und „Karl und Rosa“, vulgo Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, dem dritten Teil aus Alfred Döblins Großroman „November 1918“.
Den schwierigsten Start hat ohne Zweifel Stefan Bachmann vor sich. Auch wenn der gebürtige Zürcher in Interviews dem Vergleich mit Vorgängerin Karin Beier zu entgehen versucht, in Köln wird man ihm das erfolgreiche Vorbild sicher schnell als ästhetische Messlatte vorhalten. Helfen könnte da Bachmanns Einstandsinszenierung. Er hat sich mit „Der Streik“ den 1300-Seiten Roman der hierzulande wenig bekannten Ayn Rand ausgesucht. Einer Philosophin, Autorin und Hardcore-Kapitalistin russischer Provenienz, die 1926 in die USA emigrierte. Sie begründete nicht nur eine eigene Denkrichtung, sondern beeinflusste durch ihr Denken wie ihr Charisma zahlreiche Konservative wie Alan Greenspan, Ronald Reagan, den Richter Clarence Thomas oder Jimmy Wales. In ihrem Roman „Der Streik“ singt sie das Hohelied auf die große Unternehmerfigur als Übermensch. Die Eisenbahnmagnatin Dagny Taggart oder der Stahlbaron Hank Rearden kommen daher wie die weißen Ritter des ökonomischen Mehrwerts. Einsam sind sie, intellektuell überlegen und moralisch fast unantastbar. Hemmungslose Egoisten, die rigoros gegen Altruismus oder einen christlichen Humanismus handeln und angeblich erst dadurch zum Gemeinwohl beitragen. Rands literarische Helden sind durchweg Einzelkämpfer, deren größter Feind der Wohlfahrtsstaat ist. „Der Streik“ inszeniert diesen Konflikt als Katastrophenszenario: Als der Staat den schrankenlosen Liberalismus eindämmen will, treten die Großunternehmer in den Ausstand und lassen das Land systematisch vor die Hunde gehen. Kein Wunder, dass das Buch mit der Finanzkrise wieder reißenden Absatz findet.
„Der Streik“ I Sa 12.10. 19:30 Uhr (UA) I Schauspiel Köln I 0221 221 28400
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