Ein Kratzen, ein Schreien, ein Beißen – so kennen wir Helena Zengel aus dem vielfach ausgezeichneten Überraschungshit „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt, der 2019 für den Auslandsoscar ins Rennen ging, dann allerdings nicht nominiert wurde. Aber irgendjemand in Hollywood muss den Film schon auf der Berlinale aufmerksam gesehen haben, denn die Elfjährige wurde für den US-Western „Neues aus der Welt“ an der Seite von Tom Hanks verpflichtet. Die Dreharbeiten fanden im September 2019 statt. Paul Greengrass hat mit seinem Spätwestern den gleichnamigen Roman von Paulette Jiles verfilmt. Anders als man es bei dem Regisseur von u.a. drei Teilen der „Bourne Verschwörung“ vermuten könnte ist es nicht nur ein Spät-, sondern auch ein Slow-Western, der mit vielen Anspielungen auf die Gegenwart von der allgemeinen Erschöpfung eines zerrissenen Landes erzählt. Im Texas des Jahres 1870 zieht der ehemalige Drucker Captain Jefferson Kyle Kidd, der im Bürgerkrieg gekämpft hat, durch die Städtchen und liest gegen Eintritt den Menschen aus Zeitungen vor, was sich in der Welt ereignet. Auf seinem Weg trifft er auf eine attackierte Kutsche und ein verängstigtes und zugleich aggressives Mädchen in der Kleidung der Indigenen. Es ist die 11-jährige Johanna, die vor Jahren nach einem Überfall auf ihre Familie vom Stamm der Kiowa verschleppt wurde und seitdem mit ihnen ein neues Leben mit einer neuen Familie lebte. Als der Stamm von der Armee gewaltsam vertrieben wird, muss sie das zweite Mal mitansehen, wie ihre Familie umgebracht wird. Als Kidd sie auffindet, ist sie nicht nur verängstigt, sie spricht auch kein Englisch, sondern nur die Sprache der Kiowa. Und in den Sitten und Lebensgewohnheiten der Weißen findet sie sich auch nicht mehr zurecht. Greengrass inszeniert seinen melancholischen Blick auf ein zerrissenes Land betont ruhig. Die getragene Musik und die Kameraflüge über die Landschaft wirken aber anders als Hanks Spiel, das die innere Versehrtheit der Menschen aufscheinen lässt, oder Zengels Darstellung, die die Verzweiflung spürbar macht, eher touristisch. Großartig ist die Szene mit dem Sandsturm gelungen. Hier erscheinen die Indigenen wie ein Nachhall der Vergangenheit – schemenhaft und stumm ziehen sie vorüber, Der Film ist am 25.12. in den US-Kinos gestartet. Nachdem der geplante deutsche Kinostart am 7.1. verschoben werden musste, veröffentlichte Universal den Film schließlich am 10.2. auf Netflix. Nun kann man ihn zu einigen wenigen Terminen in den Autokinos sehen.
Ebenfalls vor Autokarossen erlebt auch George Clooneys „The Midnight Sky“ seine Kinopremiere. Wie Greengrass' Western setzt Clooneys bildgewaltiges Science-Fiction-Drama auf die Figur eines geheimnisvollen Mädchens. Auf der Erde herrscht eine globale Katastrophe, während Astronautin Sully (Felicitias Jones) eben dorthin zurückkehren will. Der Wissenschaftler Augustine (George Clooney) versucht, die Besatzung zu warnen. Mit einem mysteriösen Mädchen an seiner Seite will er von der Antarktis aus retten, was zu retten ist..
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