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„Königsdramen II [Trümmer]“
Foto: Thilo Beu

„Was fürcht‘ ich denn? Mich selbst?“

23. Dezember 2014

Alice Buddeberg inszeniert Shakespeares „Königsdramen II“ am Schauspiel Bonn – Auftritt 01/15

Kein Gerümpel, kein Dreck, keine Möbel, keine Seelenverkleidung. Die chaotische Welt der Shakespeareschen Rosenkriege kommt in Bonn ziemlich aufgeräumt daher. Nur eine nackte ovale Spielfläche, in deren Mitte ein Bassin für die Leichen eingelassen ist. Sonst nichts. Allerdings sind Spielfläche und Zuschauerraum von einer gewaltigen Wand umgeben, in die bis zur Pause eine Bresche hereinragt. Eine letzte Verbindung zur Außenwelt, die sich mit dem Auftritts Richards III. schließt. Kein Außen, nirgends. „Ich, also“, presst Richard denn auch in seinem berühmten Anfangsmonolog in der Übersetzung von Thomas Melle heraus. Der Übergang zwischen dem Doppeldrama „Heinrich VI.“ und „Richard III.“ markiert für die Regisseurin Alice Buddeberg im zweiten Teil ihrer Inszenierung aller Königsdramen Shakespeares den Übergang zur Setzung eines allmächtigen Subjekts, das nur noch um sich selbst kreist. Doch der Reihe nach.

Ein Kind (Robert Höller) in Ringelshirt und Strumpfhosen kauert auf der schiefen Ebene der hölzernen Bresche: Heinrich VI., ein unschlüssiges Fähnchen im Wind der Macht, dem sein toter, blutbesudelter Vater Heinrich V. die Krone aufs Haupt drückt („L’état c’est toi“) – bevor er zum Spielball seiner Berater wird. Auf der einen Seite steht Bernd Braun als Herzog von York, ein blasiert-gelangweilter Herzog im farbenfrohen Cut, der endlich die Herrschaft des verhassten Hauses Lancaster beenden will. Die Chance kommt, als sein Widersacher, der Herzog von Suffolk – bei Daniel Breitfelder ein aufgeschossener, dürrer Macho mit Pferdeschwänzchen und hautengen Hosen – dem König die ledergegürtete, amazonenhafte Margareta von Neapel (Mareike Hein) als Frau und als Treibriemen der eigenen Interessen andient. Die lässt sich dann zwar vor Heinrich wie ein Zirkustier vorführen, doch als sie ihn dann küsst, geht er prompt in die Knie.

Regie und Übersetzer haben das zweiteilige Drama „Heinrich VI.“ extrem kurz geschnitten. Ein Ereignis jagt das andere, differenzierte Figuren entfalten sich kaum, dafür eine reziproke Mechanik der Macht, die die Menschen fest im Griff hat. Weil alle Kriege, alle Intrigen gestrichen sind, kann sich hier Macht als „Kontinuum des Selbst“ (Byung-Chul Han) nie entwickeln. Zur Androhung von Gewalt als Ingrediens des Machterhalts kommt es gar nicht erst, weil Macht hier immer bedroht, Gewalt immer gegenwärtig ist. Nach dem Protektor Gloster (Alois Reinhardt), der kriechend wie ein Tier erschossen wird, erwischt es nach einer Liebeszene mit Margareta den Herzog von Suffolk. Heinrich knallt ihn zitternd über den Haufen. Als der König dann im Parlament verfügt, den Thron nach seinem Tod an York abzugeben, wird Margareta zur Furie und schleppt dessen gemeuchelten Sohn in einer Plastiktüte herein – nur um ihrem eigenen Sohn, einer Schaumstoffpuppe, den Weg zu bahnen.

Souverän sei, wer über den Ausnahmezustand entscheidet, heißt es nach Carl Schmitt. Diese Souveränität, so interpretiert es Byung-Chul Han in seinem Aufsatz „Was ist Macht?“, sei nichts anderes, „als jene Subjektivität, die sich will“. Wenn sich der Raum schließt, gibt es kein oben und unten mehr, es gibt nur noch diese schmale, dürre Gestalt in Unterhemd und schwarzer Hose. Richard III., ein Monster, das in Gestalt von Laura Sundermann zwar flapsig, weinerlich oder kühl sein kann, vor allem aber kalkulierender Verstand ist. Die Welt dreht sich nur um ihn. Ihm fehlen Gefühle wie Hass oder Gier, aber auch die Verführungskraft des Bösen. In ihm wütet eine Form der Selbstermächtigung über Leben und Tod, der nacheinander Clarence, Hastings, das verblödete Prinzenpaar, York usw. zum Opfer fallen. Als die Grube immer voller wird, stehen die Leichen auf und gehen. Selbst die Toten wollen mit diesem Untier nichts zu tun haben. Das Einzige, was ihm am Ende bedroht, ist sein Verfolgungswahn, der sich auf ihn selbst richtet: „Was fürcht’ ich denn? Mich selbst?“ Die Implosion von Subjektivität im Vakuum der totalen Macht. So deutlich die Inszenierung das ausformuliert, man hätte sich etwas mehr Eindringlichkeit gewünscht. Die Kälte der Machtmechanik schlägt sich am Ende auch als emotionale Kälte des Abends nieder.

„Königsdramen II [Trümmer]“ | R: Alice Buddeberg | So 11.1., Di 13.1., So 18.1., So 25.1. 19.30 Uhr | Schauspiel Bonn | 0228 77 80 08

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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