Das hätte ich von Fritz nicht erwartet, sagte Fritz und nahm einen Schluck. Ein so stilloser Abgang in Zeiten der symbolischen Politik. Köln ist wirklich auf den Hund gekommen. Bevor ich etwas sagen konnte, fuhr Fritz fort. Keine Kalauer, bitte. Ich rede nicht von mir in der Dritten Person. Unser scheidender Oberbürgermeister hat sich schließlich ohne Abschied aus seiner letzten Ratssitzung verdrückt, um an etwas namens „Lebendige Stadt“ teilzunehmen. Immerhin ..., versuchte ich es wieder. Jetzt kalauerst Du doch, meldete sich Piet. Er war bisher eher wortkarg geblieben. Bitte nicht „lebendige Stadt“ und politisch toter OB oder so. Wirklich stillos wäre der Hinweis, dass ein Kölner OB in Zeiten der symbolischen Politik das Oktoberfest eröffnet hat, ergänzte Fritz. Wer kalauert hier? fragte ich. Der OB hat in der Niederlage keine Souveränität und keinen Respekt gegenüber dem Rat und der Stadt bewiesen. Das ... Wir reden damit über Fragen von Stil und Politik, beschied mir Fritz. Nehmen wir die letzten Wahlkämpfe. Muss das jetzt sein? Piet war auf meiner Seite. Doch Fritz war nicht zu bremsen. Die Ergebnisse sind für mich persönlich ganz uninteressant. Ich rede hier von Stil, von Lebensart, von Kultur. Was das betrifft, war die Strategie von Frau Merkel ganz genial. Ihre Plakate und Spots waren Homestories, sie hat sich als Autorität und Mensch präsentiert. Das haben die Redaktionen nahtlos übernommen und ihre Artikel und Filmchen auch als Homestory erzählt. „Ohne meinen Mann geht gar nichts“, hat sie gesagt. Merkelmeier, Menschelmeier, rief Piet. Falsch, erklärte Fritz. Frau Merkel hat es geschafft, ihre Person aus der politischen Diskussion zu nehmen. Das ist doch banal, sagte ich. Nein, sagte Fritz. Als sie beim TV-Duell verloren hat, hat sie keine öffentliche Debatte mehr geführt, sondern nur noch Audienzen gegeben. Der Bundespressekonferenz zum Beispiel. Das zeugt von natürlicher Autorität. Piet beugte sich vor. Ich möchte zu Ende reden, sagte Fritz. Seht euch doch die Presse an. Da beklagt man einerseits, dass beim Wahlkampf alle Kontroversen unter den Teppich gekehrt werden. Und gleich daneben ist zu lesen, dass bei den Deutschen der Glaube an Autorität tief verwurzelt ist und sie in Zeiten der Krise keinen Streit wollen. Du tust den Medien Unrecht. Fritz sah mich erwartungsvoll an. Einige haben jedenfalls versucht, kritische Punkte nach vorne zu schieben. Die Atomfrage, der Mindestlohn, Zensur ... Dass ich nicht lache, sagte Fritz. Die wirklich interessanten Punkte hat man doch ausgespart. Nehmen wir Guido ... Nicht schon wieder Westerwelle .... Doch. Der will uns eigentlich ein Wachstum von neun Prozent bescheren. Habe ich nirgends gelesen, sagte Piet. Eben, fuhr Fritz fort. Geschrieben wurde immer nur, dass Guido Steuersenkungen für seine Klientel will. Aber um die zu finanzieren, braucht er ein Wachstum von 9 Prozent. Das ist doch völlig unrealistisch, sagte ich. Eben, sagte Fritz. Deshalb hat er es gar nicht erst erwähnt. Piet gähnte. Sogar für die Linke ist Wachstum ein politisches Ziel. Das sage ich ja, Fritz bestellte drei weitere Kölsch. Wir leben in einem kapitalistischen System, über dem die Schrift lodert „Wachstum macht frei“. Aber darauf trinke ich nicht.
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