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Unterschiedlichkeit als Chance nutzen

01. Oktober 2010

Zülfiye Kaykin über Multikultur in NRW - Thema 10/10 Islam

choices: Frau Kaykin, das Wort Parallelgesellschaft nehmen Sie nicht in den Mund?
Zülfiye Kaykin:
Wir haben überall Parallelgesellschaften. Es gibt beispielsweise Grenzen zwischen Arm und Reich. Zwischen Migranten und Mehrheitsgesellschaft sehe ich sie aber nicht in dem Maße. Es gibt zwar kulturelle Unterschiede, aber keine separaten Strukturen. Wir leben in einer Gesellschaft mit einer gemeinsamen Rechtsordnung, die das Miteinander ermöglicht.

Im vergangenen Monat erschien das Buch „Deutschland schafft sich ab“. Haben es Muslime besonders schwer, sich an die Werte unseres Landes anzupassen? Es gibt nicht „die Muslime“ und „die Christen“. Es gibt nicht „die Türken“ und „die Deutschen“. Wir sprechen nicht von einer statischen Gesellschaft, sondern von einer dynamischen. In einer dynamischen Gesellschaft verfärbt sich vieles. Wir können voneinander lernen und unsere Unterschiedlichkeit als Chance nutzen. Lassen Sie mich das an einem Bild verdeutlichen: An Ihrer Hand haben sie fünf Finger. Sie sind alle unterschiedlich, und doch ergeben sie nur gemeinsam eine starke Hand.

Werden Muslime in unserer Gesellschaft hinreichend wertgeschätzt? Vor kurzem war ich Gast in einem Einschulungsgottesdienst. Für die katholischen und evangelischen Kinder gab es jeweils einen Geistlichen. Für die muslimischen Kinder gab es zunächst niemanden. So habe ich mich kurzerhand dazu entschlossen, die Rolle des Imam zu übernehmen. Ich habe die muslimischen Kinder eingesegnet. Wenn es keine Wertschätzung für unterschiedliche Kulturen gibt, werden wir nicht zum Einwanderungsland, sondern zum Auswanderungsland. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr sind 40.000 türkischstämmige Akademiker aus Deutschland ausgewandert, aber nur etwa 30.000 Menschen aus der Türkei eingewandert.

Kann das türkische Mädchen aus Duisburg-Marxloh, das nun Staatssekretärin ist, als Vorbild fungieren? Ich habe die Hauptschule besucht und danach eine Ausbildung gemacht. Insofern bin ich natürlich ein Vorbild, insbesondere für junge Frauen mit Migrationshintergrund.

Was kann das Abendland vom Morgenland lernen? Ich zitiere gern den islamischen Gelehrten Dschalal ad-Din ar-Rumi: „Alles, was man auch gestern gesagt haben mag, neue Worte gebühren dem heutigen Tag.“

Zur Person

Zülfiye Kaykin (41) ist Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales in NRW.

LUTZ DEBUS

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