Fernand Léger gehört zu den Stars der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts. Er ist einer der Pioniere des Kubismus, und er hat die moderne Zeit mit ihren Menschen und dem industriellen Fortschritt in seine Bilder geholt und damit der Darstellung der Landschaft zwischen romantischer Verklärung und Impression eine Absage erteilt. Andererseits hat er im leuchtenden Auftrag der Primärfarben und im Ziehen deutlicher Umrisslinien für Eingängigkeit gesorgt. Seine Kunst richtet sich an die breite Bevölkerung und will verständlich sein. Folglich versteht Léger das Geschehen in der Großstadt und auf den Straßen mit den Fahrzeugen, Baugerüsten und Arbeitern nicht nur als Sujet und Thema seiner Kunst, sondern auch als ästhetisches Phänomen.
Dabei hatte Fernand Léger (1881-1955), der ab 1903, mit Unterbrechungen, in Paris gelebt hat, als abstrakter Maler begonnen. Er arbeitete als Kubist zeitgemäß: Die Geschwindigkeit der Zeit und die Zerstückelung und Fragmentierung der Wahrnehmung sind in seinen Bildern gegenwärtig. Später, in seiner gegenständlichen Malerei, wird er Raster und vollflächige Partien kombinieren. Hinzu kommt dann die Mehrdeutigkeit der Formen: Er zeigt mächtige stilisierte Figuren mit schwellenden Körpern, die an Röhren denken lassen. Mithin ist seine Malerei dekorativ und doch ganz dem nüchternen, harten Alltag entlehnt. Und Léger setzt sie in sehr verschiedenen Bereichen ein. Er erstellt Wandmalereien im öffentlichen und privaten Raum, sogar für die Ausstattung von Schiffen, und er entwirft Tapisserien und Teppiche, schafft Bühnenbilder und Kostüme für Ballettaufführungen.
Genau das ist nun auch das Thema der Ausstellung im Museum Ludwig: Sie rückt die verschiedenen Orte der Kunst von Fernand Léger ins Bewusstsein. Dazu beginnt sie spektakulär. Der Besucher läuft die Treppe zur Ausstellung hinab und auf das monumentale Wandgemälde „Kraftübertragung“ zu. Es zeigt das „Funktionieren“ der Maschine im Einklang von Technik und Natur. Die kantigen Formen der linken Bildhälfte, die an Baukräne und Schienen denken lassen, gehen links im Mittelgrund über in organische, wolkige Formationen. Verhießen wird eine positive Zukunft aus dem Glauben an den Fortschritt heraus. Léger hatte die „Kraftübertragung“ für die Weltausstellung 1937 in Paris gemalt. Bei diesem Ereignis war er auf der Höhe seines Schaffens und auf dem Höhepunkt der Anerkennung. Er wurde zur Gestaltung mehrerer Wandgemälde und eines Panoramas aus Fotocollagen und Malerei für die Pavillons eingeladen. Für ihn war dies der passende Anlass, um sein Prinzip vom kollektiven Arbeiten – mit Architekten, Künstlerkollegen und sogar Schülern – zu verwirklichen. Dabei spielt, über die Weltausstellung hinaus, besonders Le Corbusier eine Rolle, der Maler und vor allem Architekt von Weltruhm, mit dem Léger freundschaftlich verbunden war. Auch Le Corbusiers Mitwirken und Einfluss wird im Museum Ludwig nachgegangen.
Die etwas füllige, aber dadurch umso mehr informative Schau versucht beides: Légers Kunst vorzustellen und die Bedingungen und Inhalte seiner Wandmalereien, die teils zerstört oder eben nicht zu bewegen sind, dokumentarisch zu vermitteln. Sie zeigt Filme der Theateraufführungen, an denen er schöpferisch beteiligt war und rekonstruiert Räume, in denen diese Bilder hingen. Sie präsentiert die riesige Zeichnung „Die Taucher“ (1942), die sich in der Sammlung des Museums befindet, gemeinsam mit seinem Gemälde von 1950/51 für die Triennale Mailand. Und sie liefert darüber hinaus einen guten Einblick in seine Malerei, indem sie begleitend Tafelbilder und Skizzen aus den verschiedenen Werkphasen zeigt. Der Ausstellungstitel greift also etwas kurz: Hier wird schon ziemlich viel von Fernand Léger mitgeteilt.
„Fernand Léger – Malerei im Raum“ | bis 3.7. | Museum Ludwig | 0221 22 12 61 65
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