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„Green Clubbing“ könnte Klimaschutz zu mehr Popularität verhelfen
Foto: Mira Moroz

Tanzen im Rauch der Nebelkerze

30. August 2012

Umweltfreundliches Ausgehen verspricht der „Green Club Index“. Aber kann man gegen den Klimawandel antanzen? – THEMA 09/12 GREEN CLUBBING

„Rave to save the planet“ – was könnte verlockender sein? Selbstvergessenheit, Euphorie, hübsche Menschen, lange Nächte, und dabei noch das Klima retten. „Green Clubbing“ verspricht all dies, und zwar ohne die Clubber in die Pflicht zu nehmen. So stellt sich zumindest die Initiative „Green Club Index NRW“ die Weltrettung vor. Insgesamt verbrauche jeder Club jährlich so viel Strom wie 30 Dreipersonenhaushalte, berichtet eine Broschüre des „Green Club Index“: 120.000 kWh, was einem CO2-Ausstoß von 67 Tonnen entspreche. Um diesen Wert zu senken, will die Initiative Clubbesitzer über ihr Potential beim Energiesparen aufklären. Kürzere Schaltzeiten bei den Getränkekühlschränken oder das Anpassen der Lüftung an die Besucherzahl sind kleine Maßnahmen, von denen Clubber nichts bemerken. Stattdessen sollen sie ungestört feiern, und zwar „harder, faster, greener“.

Eine neue Losung
Solche Slogans sind neu in der Popkultur. Als Anfang der 1980er Pop als verfeinertes Zeichensystem auch in Deutschland salonfähig wurde, geschah das gerade gegen die Ökobewegung und ihre Ästhetik der Eigentlichkeit aus Parka, Bart und langen Haaren. Erst viele Jahre später, in den 1990ern, bauten sich die Fronten ab. Elektronikacts wie Moby oder Orbital hausierten mit einem Ökoimage oder spielten Konzerte, für die der Strom mit Solarpanels erzeugt wurde. Und auch das Versprechen des „Green Clubbing“ ist in erster Linie ein technisches. Die eingesparte Energie kann den Gewinn der Veranstalter steigern oder in andere energiesparende Technologien, z.B. LED-Lampen für die Lichtanlage, investiert werden.

EnergieAgentur-Chef Lothar Schneider verspricht sich „ein glamouröseres Image für den Klimaschutz“ von der Initiative. Damit bedient sich der „Green Club Index“ eines alten Mythos: dem Club als Ort avantgardistischer Sozialformen. Von den Jazzclubs der bundesrepublikanischen 50er über die New Yorker Disco-Partys der 1970er – jeder dieser Clubs steht sinnbildlich für einen anderen Aufbruch: die Aufkündigung des Schweigekonsens der Nachkriegszeit oder die Sichtbarwerdung von Homosexualität. Diese Räume haben sich als Reaktion auf neue gesellschaftliche Bedürfnisse herausgebildet. Beim „Green Club Index“ ist es umgekehrt: Eine sehr spezifische, politisch gewollte Form des Klimaschutzes soll via Club ins Bewusstsein der clubbenden Jugend gerückt werden. Anstatt sich die Räume zu nehmen, sollen die hergerichteten Räume die entsprechenden Subjekte hervorbringen. Beispielhaft dafür ist die Tanzfläche im mittlerweile geschlossenen Rotterdamer Club „Watt“. Über Sensoren wurde die Bewegungsenergie der Tänzer in eine Lightshow umgewandelt – die Tänzer erhalten direktes Feedback über die von ihnen erzeugte und somit CO2-neutrale Energie. So will man Klimaerziehung spielerisch-hedonistisch gestalten – mehr Pawlow war selten.

Die Politik setzt auf falsche Maßnahmen
Den Klimawandel als individuelles Fehlverhalten von Privatpersonen und Kleinunternehmen zu adressieren, erweist sich jedoch verstärkt als Nebelkerze. In entscheidenden Fragen ist die institutionelle Politik zu zögerlich oder setzt auf die falschen Maßnahmen. Die steigenden Strompreise, mit denen die Bundesregierung gerade die geplante Rückabwicklung der Energiewende begründet, sind im Wesentlichen das Resultat einer einseitigen Politik. Denn weil mehr Strom produziert wird, fallen die Preise an der Strombörse. Den Anbietern erneuerbarer Energie ist aber ein bestimmter Preis garantiert, der durch eine Zulage für Erneuerbare Energien, die sogenannte EEG-Umlage, erreicht wird. Allerdings wird diese nur Kleinunternehmen (z.B. Clubs) und Privathaushalten aufgebürdet, Firmen mit einem großen Stromverbrauch können ihren Strom direkt an der Strombörse kaufen und profitieren damit von den sinkenden Preisen. Und laut Gesetz müssen sie nur für die erste Million Kilowattstunden die volle EEG-Umlage zahlen, danach sinkt der Anteil auf zehn Prozent, ab 10 Millionen kWh sogar auf nur ein Prozent.

Gleichzeitig erweist sich der Emissionshandel, mit dem Investitionen in erneuerbare Energie vorangetrieben werden sollten, als ein schlecht gewähltes Mittel. Es sind zu viele Zertifikate auf dem Markt, dadurch sinken die Preise. Die Wirtschaftskrise sorgt zudem dafür, dass die Emissionen sinken, was sich wiederum negativ auf die Preise auswirkt. EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard will daher die Zahl der Emissionsrechte begrenzen und bekam dafür vom BDI einen „klimapolitischen Tunnelblick“ vorgeworfen.

Solche Interessenkonflikte öffentlich zu benennen anstatt sie hinter einer „Tanzen gegen den Klimawandel“-Rhetorik zu verbergen, wäre ein wichtiger Schritt hin zu einem nachhaltigen Wandel. Denn nur so kann über die Wirksamkeit von Maßnahmen debattiert werden. Bill McKibben, einer der Pioniere der Berichterstattung über den Klimawandel, hat neulich in einem langen Bericht imRolling Stonevorgerechnet, inwieweit der momentane Wert von Lukoil, Exxon oder Gazprom von der Option auf 2.795 Gigatonnen noch nicht erschlossene Öl-, Gas- und Kohlereserven abhängt. Sollten diese erschlossen werden, wäre der Konsens von Kopenhagen, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, hinfällig. Eine Änderung des individuellen Konsumverhaltens sei hier keine geeignete Strategie, so McKibben. Sein Vorschlag: ein Boykott der entsprechenden Unternehmen durch Privatpersonen und öffentliche Institutionen – ein anstrengender Weg, von dem man sich dann gerne auch im Club erholen darf. Egal, ob dieser ein Öko-Zertifikat hat oder nicht.

Christian Werthschulte

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