„Planet, People and Profit“ – mit diesem Slogan wollte im Sommer 2008 in Rotterdam ein Club auf seine Neueröffnung aufmerksam machen. Watt, so der Name des Clubs, versprach „nachhaltiges Clubbing“ durch eine Reihe von technischen Innovationen. Die Toiletten funktionierten mit Regenwasser, an der Bar gab es gezapfte Getränke aus wiederverwertbaren „ecocups“. Die größte Innovation war aber die Tanzfläche. In den Boden waren Sensoren eingelassen, die die Bewegungsenergie der 1.800 Tänzer in Energie umwandelten. Stromsparende LEDs, die in die Tanzfläche integriert waren, gaben den Clubbern ein sofortiges Feedback über ihre Tanzleistung. Mit diesen Mitteln wollte Watt den ökologischen Fußabdruck eines Clubs um 30 Prozent, also 100.000 Kilogramm CO2 verringern. Der Wasserverbrauch und die Müllmenge sollten um 50 Prozent reduziert werden. Das Konzept fand schnell Nachahmer. Surya, am nördlichen Rand der Londoner Innenstadt gelegen, besitzt eine Tanzfläche, die mit Piezoelektrik 60 Prozent der Gesamtenergie des Clubs erzeugt. Und wer am Eingang nachweist, dass er den Weg nach Surya zu Fuß, per Fahrrad oder mit dem öffentlichen Nahverkehr zurückgelegt hat, erhält kostenlosen Eintritt.
Wie ein grüner Club klingt, ist noch ungeklärt
Surya und Watt dienen zuerst als Machbarkeitsstudien – im Fall von Surya ist es ein Versuch in Greenwashing. Hinter dem Londoner Club stand der Bauunternehmer Andrew Charalambous, der sich selbst „Dr. Earth“ nennt. Schon zur Anfangsphase des Clubs wurde er von der Umweltorganisation „Friends of the Earth“ (FOE) dafür kritisiert, dass er an der griechischen Küste eine Party mit eingeflogenen Celebrities veranstalten wollte, deren Einnahmen an FOE gespendet werden sollten. Mittlerweile tritt er als Wohnungsbauexperte der rechts-libertären Anti-Immigranten-Partei UKIP auf, die Atomenergie als saubere Alternative zu Kohlekraftwerken propagiert und den menschlichen Anteil am Klimawandel anzweifelt. Die beiden an Watt beteiligten Architektenbüros konnten dagegen ihr Portfolio um ein „nachhaltiges“ Projekt erweitern und haben in der Folgezeit einige Aufträge für öffentlich geförderte Vorzeigebauten gewonnen.
Und damit ist das Dilemma des Konzepts „Öko-Club“ schon gut beschrieben. Dass sich die eher linksliberale und multikulturelle Londoner Clubszene nicht für Surya interessiert, liegt nicht nur an der politischen Einstellung des Besitzers, sondern auch am Programm, das alle Mikrotrends der Londoner Danceszenen ignorierte und stattdessen konservativ auf Gitarrenmusik setzt. Und Watt konnte nie eine Klangsignatur vorweisen, die das Label „Öko-Club“ in den Hintergrund gedrängt hätte. Wie ein grüner Club klingt, ist bis heute ungeklärt. Im Herbst 2011 musste Watt schließen – mit dem Ausbleiben öffentlicher Unterstützung ließ sich der Betrieb nicht mehr aufrechterhalten. „Planet, People and Profit“ ist bis jetzt ein leerer Slogan geblieben.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Kölner Nächte sind lang
c/o pop: Neue Studie zur Kölner Pop- und Subkulturszene vorgestellt – Musik 09/16
Tanzen im Rauch der Nebelkerze
Umweltfreundliches Ausgehen verspricht der „Green Club Index“. Aber kann man gegen den Klimawandel antanzen? – THEMA 09/12 GREEN CLUBBING
„Clubber bringen natürliche Wärme mit“
Der Ingenieur Michael Müller berät Clubs in NRW beim Sparen von Energie – Thema 09/12 Green Clubbing
„Energiesparen ist zur Routine geworden“
Ricardo Costa vom Club Bahnhof Ehrenfeld über seine Teilnahme am Pilotprojekt „Green Club Index NRW“ – Thema 09/12 Green Clubbing
Als gäbe es kein Morgen
Im Überschuss des Clubs ist kein Raum für Nachhaltigkeit – Thema 09/12 Green Clubbing
Ran an die Regeln
Intro – Verspielt
Es sind bloß Spiele
Teil 1: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 1: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
Jenseits der Frauenrolle
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Werben fürs Sterben
Teil 2: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 2: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
Immer in Bewegung
Teil 2: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Das Spiel mit der Metapher
Teil 3: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 3: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
Zusammen und gegeneinander
Teil 3: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Spielglück ohne Glücksspiel
Gegen teure Belohnungen in Videospielen – Europa-Vorbild: Belgien
Spielend ins Verderben
Wie Personalmanagement das Leben neu definierte – Glosse
Wie gewohnt
Intro – Europa
Demokratischer Bettvorleger
Teil 1: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 1: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 1: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Europäische Verheißung
Teil 2: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 2: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur
Europa verstehen
Teil 2: Lokale Initiativen – Initiative Ruhrpott für Europa spricht mit Jugendlichen über Politik
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 3: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.