Beziehung basiert für den jungen Johann auf einem anspruchsvollen Liebes-Projekt, das verbunden ist mit der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Die ältere Marianne dagegen will Liebe nicht überbewerten, Humor und Toleranz seien ihr genauso wichtig. Jeweils zwei ältere und zwei jüngere „Ausgaben“ von Marianne und Johann lässt Regisseur Heinz Simon Keller durch einen massiven Bilderrahmen treten und ein Beziehungsstatement abgeben. Es ist ein generationelles Kaleidoskop, in dem man bei aller Sympathie für die einzelne Position in allen schon das Scheitern ahnt.
Ingmar Bergmanns Klassiker „Szenen einer Ehe“, der seit den frühen 1970er Jahren zunächst als Serie, dann als Spielfilm und schließlich als Theaterstück Furore machte, erlebt immer wieder Renaissancen – obwohl manches durch aktuelle weibliche Emanzipationsstrategien etwas angestaubt wirken mag. Aktuell bleiben die Grundkonflikte der Gleichberechtigung und des Seitensprungs nichtsdestotrotz. Wie gestritten wird, dass Geld keinerlei, Selbstverwirklichung aber eine große Rolle spielt, macht die „Szenen“ allerdings zu einem typischen Mittelschichtsdrama.
Der Abend (in der dramaturgischen Bearbeitung von Ulrike Janssen) steigt nach den Statements in Bergmanns Drama ein, lässt den älteren Johann (Valentin Stroh) der älteren Marianne (Barbara Fernandez) seinen Seitensprung gestehen. Die erschütternd „vernünftige“ Reaktion der Ehefrau mit unterwürfigen Bitten um einen Neuanfang treiben den Ehemann in die Enge. Auf das Ausbleiben der Wut reagiert er mit Aggression. Die Regie spielt dann die gleiche Szene beim jungen Paar (Laura Janik, Jan Sabo) durch, das weit aggressiver aufeinander losgeht. Und dann wandert der Konflikt durch verschiedene Paarkonstellationen: Jüngere Frau mit älterem Mann. Älterer mit jüngerem Mann. Ältere Frau mit jüngerem Mann. Ein Kaleidoskop der Streitkultur, variiert durch Alter und Geschlecht. Verblüffend ist, als wie „stabil“ sich das Konfliktpotential des Seitensprungs, sprich unsere monogam-bürgerliche Imprägnierung erweist. Nur die psychischen Reaktionen changieren zwischen abgeklärt-unsicher-aggressiv. Der Rest des Abends stellt dann zwei Szenen ins Zentrum, das Wiedersehen der alten Ehepartner sowie die Debatte um die Scheidungspapiere. Sie zielen auf den Prozess der zunehmenden Selbstfindung und Selbstsicherheit der Frau. Im Zentrum der Inszenierung steht nun deutlich das ältere Ehepaar, dem das jüngere als Sekundanten dient. Geschlechterkonflikt und Emanzipation rücken dadurch in den Fokus.
Barbara Fernandez spielt mit Genuss die sarkastische und gleichgültige Exfrau, unterstützt von Laura Janiks Scheidungstipps, während Jan Sabo sich besäuft und Valentin Stroh sein berufliches Scheitern mit einer Rückkehr kompensieren möchte. Am Ende bleibt man so fasziniert wie ratlos zurück. Weibliche Emanzipation mag Augenhöhe herstellen, doch am Mythos Liebe ändert sie so wenig wie am moralistischen Verdikt Monogamie oder am problematischen Beziehungsmodell Ehe. Verfahrensstrategien im ehelichen Beziehungsdickicht bleiben Mangelware – Fahren auf Sicht ist die Devise.
Szenen einer Ehe | R: Heinz-Simon Keller | 1., 10., 11., 24.9. | Theater der Keller in der Tanzfaktur | 0221 31 80 59
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