Mit seiner vierten Ausgabe hat der „Tag des guten Lebens“ erstmals den Sprung über den Rhein auf die „Schäl Sick“ gemacht: Nach Ehrenfeld und Sülz, war es nun Deutz, das einen Tag lang die Autos von seinen Straßen verbannt hatte, um Anwohnern und Besuchern Gelegenheit zu geben, den entstandenen Freiraum auf kreative Weise umzufunktionieren.
Nicht nur der komplette Ortskern von Deutz zwischen Gotenring, Justinianstraße und Opladener Straße, sondern sogar eine Hälfte der Deutzer Brücke waren am Sonntag für den motorisierten Verkehr gesperrt. Reichlich Platz also für Vereine, Initiativen, Künstler und Nachbarschaftsgruppen, die Straßen mit ihren Vorstellungen eines guten Lebens zu besetzen.
Insgesamt hatten sich im Vorfeld etwa 200 Gruppen mit Aktionen bei den Veranstaltern, der Bürgerinitiative Agora Köln, angemeldet – während des Tages kamen noch einmal viele spontane Aktionen unangemeldet dazu. „Das war mit ein Grund, der den Ausschlag gegeben hat, es dieses Jahr in Deutz zu veranstalten“, sagte Katharina Schwartz von Agora e.V. „Hier gibt es nämlich bereits starke Netzwerke, etwa um den Verein Deutzkultur herum, die sich sehr dafür eingesetzt haben, die Veranstaltung in ihren Stadtteil zu holen.“
Anders als in Ehrenfeld oder Sülz hatten die Organisatoren in diesem Jahr auf ein Leit-Thema verzichtet. „In den ersten Jahren haben wir etwa das Thema Mobilität in den Mittelpunkt gerückt“, so Schwartz. „Aber dieses Mal wollten wir die Leute nicht in ihren Ideen einschränken.“
So war es vor allem die Vielfalt, die für den Tag als Klammer diente: Wer Straßenfest-Atmosphäre suchte, fand diese auf etwa der Deutzer Freiheit, wo sich Vereine und Initiativen präsentierten, Restaurants und Imbisse ihre Tische auf die Straße gestellt hatten und an gefühlt jeder Ecke Musiker und Bands jedweder Couleur ihr Können unter Beweis stellten. Kleiner und intimer ging es in den Nebenstraßen zu: Hier gab es viele fast familiäre Aktionen, bei denen Nachbarn etwa Stühle und Sofas auf die Straße gestellt hatten, um Wohnzimmerkonzerte unter freiem Himmel zu veranstalten, Salsa-Kurse anzubieten oder auf Hofflohmärkten alte Schätze vom Dachboden zu verkaufen. Ein Zentrum der nachbarschaftlichen Aktivitäten war etwa das „Schaurteplätzchen“ an der Schaurtestraße, wo die Anwohner nicht nur eine Bühne mit Musikprogramm auf die Beine gestellt hatten, sondern auch Vorschläge zur Umgestaltung des Plätzchens sammelten.
Um eine gewisse Übersichtlichkeit zu gewähren, hatten die Veranstalter die Aussteller in thematische Cluster eingeteilt, die sich an bestimmten Punkten bündelten. Wer sich über Mobilität informieren wollte, wurde etwa bei den zahlreichen Fahrrad-Aktivisten und Carsharing-Anbietern in der Helenenwallstraße fündig. Direkt um die Ecke, in der Lorenzstraße, standen Ernährung und urbanes Grün im Mittelpunkt. Hier hatte unter anderem der Ernährungsrat Köln seinen Stand, ein noch junges Projekt des Vereins Taste of Heimat. „Wir arbeiten daran, Landwirte aus dem Kölner Umland mit den Verbrauchern und der Kölner Stadtverwaltung zu vernetzen, um zu einer nachhaltigen Ernährung beitragen zu können“, so die Projektkoordinatorin Anna Wissmann.
Auf der Deutzer Freiheit hatten sich hingegen Initiativen zu den Themen Energie und Umwelt versammelt. Hier war etwa der Pavillon der Genossenschaftsinitiative „Stadtraum 5und4“ ein Hingucker: Hier hatten die Mitglieder aus Pappkartons ein Modell des geplanten Ausbaus des Deutzer Hafens aufgebaut, und die Passanten eingeladen, in dem Modell ihre eigenen Ideen zu verwirklichen. „Unser Ziel ist es letztlich, die Bürger dazu zu bewegen, den Immobilienmarkt nicht den Baukonzernen zu überlassen, sondern sich durch genossenschaftliches Bauen einen nennenswerten Teil des Wohnungsmarktes anzueignen“, beschrieb Sascha Gajewski die Arbeit des Vereins.
Mit etwa 150 000 Besuchern konnte die neue Auflage des „Tags des guten Lebens“ einen neuen Besucherrekord aufstellen. Das ist für Katharina Schwartz jedoch nicht der einzige Grund zur Freude. „Gerade von den Deutzern selbst haben wir ein überwältigendes Feeback bekommen und es ist schon eine Nachtreffen für die Nachbarn geplant“, sagte sie. „Das ist im Grunde genau das, worauf wir abzielen: Dass wir den Anstoß geben und sich anschließend die daraus entstandenen Strukturen im Viertel festigen.“
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