Eine hübsche Idee, die Kids vor der Aufführung im Foyer des Staatenhauses kleine Holzschwerter verzieren zu lassen, ist doch diese Waffe ein Zentrum der Siegfried-Oper, hier von 4,5 Stunden auf ein Drittel eingekocht. Britta Gillessen, Chefin der Kinderoper und der Dirigent Rainer Mühlbach haben erneut das Kunststück fertiggebracht, auch den dritten Teil der Riesenoper kindgerecht zu kürzen, zusammen mit Stefan Behrisch als Arrangeur. Heftige „Schwertkämpfe“ wurden vor und nach der Aufführung von den jungen Opernbesuchern im weitläufigen Areal des Saal 3 ausgefochten; während der Aufführung „schwiegen“ jedoch die Waffen, denn dazu war es viel zu spannend. „Siegfried“ enthält ja auch viel mehr Aktionen als die beiden bisherigen Teile des gewaltigen Opus, welche die Neugier und Spannung bei den durchweg erstaunlich aufmerksamen Kindern aufrecht halten können. Zumal inzwischen auch die Übertitelanlage ertüchtigt wurde.
Die Bühne ähnelte der von Rheingold und Walküre, die Welt-Esche (Bühne und Kostüme wieder vom bewährten Christof Cremer) steht immer noch an alter Stelle, ist jetzt aber Tummelplatz für die entzückende, quirlige Alina Wunderlin mit herrlichem Sopran und reizendem Kostüm als „Waldvogel“. Sie bewegt sich so leichtfüßig, dass man ihr fast das Fliegen zutrauen mag. Aber sie verrät immerhin dem Siegfried, dass sein Ziehvater Mime ihn töten will.
Das besagte Schwert, welches Papa Siegmund einst zerdeppert hatte, schleppt Mime (Paul McNamara, köstlich im Spiel und hervorragend gesungen) in einem Aktenkoffer an, nachdem er vorher ein Billig-Import-Exemplar mit bloßen Händen total verbogen hat. Siegfried, der echt locker drauf ist, die Kids in der ersten Reihe auch gerne mal jovial abklatscht und in die Runde fragt, wer denn „das Fürchten nicht gelernt hat“, zaubert heftig hämmernd das Schwert wieder heil, mit dem er dann zur Probe – nicht wie von Richard W. vorgesehen den Amboss zerdeppert – sondern zum Entzücken des jugendlichen Publikums von einem vergammelten Dreirad, das unter dem ganzen Pröll des Mime da rumsteht, den kompletten Lenker abschlägt. Eine Szene mit hohem Symbolcharakter – das Schwert vernichtet die Steuerungsfähigkeit. So selten war das nie in der Weltgeschichte.
Vieles ist echt lustig, etwa wenn Siegfried auf einem Abfluss-Siphon schaurig zu blasen versucht und sich an die Musiker wendet: „Der Herr mit dem Horn dahinten kann das sicher besser“, oder seinen Ziehvater Mime nach der x-ten Schilderung seiner Historie stöhnend anbläst: „Ich kann das Gequatsche nicht mehr hören“. Kein Wunder, dass er ihn dann auch erschlägt, genauso wie den Ex-Fafner (Florian Körfler mit mächtiger Stimme) als Drachen.
Die Details der weiteren Handlung werden als bekannt vorausgesetzt: Siegfried zerbricht den Speer des Wanderers, befreit die Brünnhilde (mächtige Stimme: Jessica Stavros) aus ihrem Feuer-Gefängnis mit vielen Flammen unter den Rufen mancher Kinder: „Ist das echt ?“, und empfindet dabei zum ersten Mal in seinem Leben Furcht. Eine Situation, die auch schon der große Loriot in seinem „Ring an einem Abend“ genüsslich ausgemalt hat, ein Werk, das dem Wagner-Interessierten nur nachdrücklich empfohlen werden kann. Aber vielleicht auch den vielen Erwachsenen, die den „Kinder-Ring“ als willkommenes Update genießen.
Denn das konnte man in großem Maße. Alle wichtigen Fragen werden singend gestellt, die wesentlichen Leitmotive klingen aus dem reduzierten, aber dennoch mit vollem Wagner-Feeling aufspielenden Gürzenich-Orchester mit perfektem Bläsersatz und garantierter Gänsehaut, Dirigent Rainer Mühlbach, gleichzeitig musikalischer Leiter des Kölner Internationalen Opernstudios (aus dem diesmal nur der Waldvogel und der Drache stammen), schafft eine hervorragende Balance in dem ganzen Getümmel. Dazu wird auf der Bühne heftig und eindrucksvoll gefochten, angeleitet von Thomas Ziesch, der sich just im sehr sehenswerten „Hamlet“ bestens bewährt hat.
Der bewährte Kölner Recke Martin Koch singt und spielt den Siegfried mit jugendlichem Elan, körperlicher Fitness und ebensolcher Stimme, Insik Choi, Spross des Opernstudios, lässt erneut sein salbungsvolles, herrlich klingendes Organ als Wanderer ertönen, Vinzeno Neri als Alberich, freischaffend vielfältig beschäftigt, hatte bereits in der Carmen sein Hausdebut; auch jetzt singt und spielt er rollengemäß hoch erfreulich. Mit dem „Siegfried“ ist der Oper Köln ein weiterer, hoch beachteter Wurf im „Ring des Nibelungen“ für Kinder gelungen; im kommenden Jahr schließt sich der Ring mit der „Götterdämmerung“.
Natürlich wird immer wieder gefragt, ob dieser Stoff, wenn auch stark gekürzt, überhaupt kindgerecht dargeboten werden kann. Er kann. Ida und Lotte (12 und 10), die Kinderoper erfahrenen Enkelinnen des Rezensenten, haben ihrer Mutter zu Hause die gesamte Geschichte minutiös und tief beeindruckt wiedergegeben.
„Siegfried für Kinder“ | 12.,13., 16.-19., 22., 16., 29.12. je 11.30 Uhr, 14., 23.12. 18 Uhr | Oper Köln | 0221 221 28 400
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