Am Anfang geht es vor allem ums Essen: Um nicht zu verhungern, verkauft das Mädchen Pünktchen nachts auf der Straße Streichhölzer – so sieht es zumindest zunächst aus. In Wirklichkeit hilft das Kind aus wohlhabendem Elternhaus nur ihrem besten Freund Anton, der sich um seine kranke Mutter kümmert und wirklich kaum etwas zu essen hat. Erich Kästners Geschichte „Pünktchen und Anton“ ist eine Freundschaftsgeschichte, die in Zeiten von Corona und Kontaktbeschränkungen fast ein wenig schmerzt, aber zugleich seit etlichen Jahrzehnten Herzen erwärmt: Die beiden ungleichen Kinder freunden sich an und beschließen in kindlicher Logik, ihre Habseligkeiten auf einen Haufen zu packen und gerecht durch zwei zu teilen, was auch für die Familien am Ende nicht ohne Folgen bleibt. Und nur durch die Freundschaft der beiden ungleichen Kinder gelingt es am Ende sogar, einen Raub im Hause Pogge (Pünktchens Familie) zu vereiteln.
Kästners Geschichte aus dem Berlin der 1930er Jahre wurde 2010 von dem ungarischen Komponisten Iván Eröd (1936-2019) als Kinderoper in Musik gefasst – das Libretto schrieb der in Köln ausgesprochen umtriebige Thomas Höft. Nun ist die Oper in seiner deutschen Erstaufführung an der Oper Köln zu sehen – vielmehr als Video-Stream verfügbar. Eröd ist es in seiner musikalischen Umsetzung gelungen, hörbar zeitgenössische Musik zu schreiben und dabei dennoch Kinderohren-tauglich zu bleiben. Manchmal allerdings sind musikalischer Rhythmus und Sprachmelodie so konträr, dass das Sprachverständnis etwas auf der Strecke bleibt, aber das sind eher Ausnahmen.
Arm und Reich
In seinem Libretto ist es Höft immer wieder gelungen, auch Szenenwechsel für Kinder gut nachvollziehbar zu gestalten – so beispielsweise zu Beginn, wenn es nahtlos vom angeblich hungernden Pünktchen beim Verkauf auf der Straße übergeht zum gepflegten Abendessen bei ihrer Familie und zu Beginn der nächsten Szene Anton für sich und seine kranke Mutter die abgezählten Kartoffeln kocht und Rührei mit Mehl andickt. Gerade solch zunächst plakativ anmutenden Parolen wie „Suppe ist für alle da“ machen es so auch dem kleinen Zuschauer schnell möglich, die existenziellen Unterschiede der beiden Familien zu verstehen.
Musikalisch lebt die Inszenierung von den beiden hervorragenden Hauptdarstellerinnen Ana Fernández Guerra als Pünktchen und Luzia Tietze als Anton. Und auch die anderen Partien sind mit Stefan Hadzic (Herrn Pogge), Claudia Rohrbach (Frau Pogge), Maike Raschke (Kindermädchen Fräulein Andacht), Lotte Verstaen (Köchin Berta) und Eva Budde (Frau Gast) gelungen besetzt. Passend zu einer Kinderoper verzichtete Eröd weitestgehend auf Solo-Arien und gestaltete die Musik eher aus der Handlung heraus. So gerät beispielsweise das Schlaflied Bertas für Pünktchen zu einem der Highlights, in das alle einfallen.
Corona-konform und familienfreundlich
Die Kinderopern-Chefin Brigitta Gillessen hat „Pünktchen und Anton“ mit viel Liebe zum Detail inszeniert, wenn auch leider – gezwungenermaßen – auf Abstand. Das Bühnenbild von Jens Kilian besteht aus mobilen Bühnenelementen, die teils von den Sängern selber bewegt werden. Je nach Seite der Elemente befindet sich das Publikum im feinen Hause Pogge, der schlichten Wohnung von Anton und Frau Gast oder aber mit Kindermädchen im Park. Auch bleibt Gillessen in der Entstehungszeit von Kästners Geschichte und versucht nicht, diese in die Gegenwart zu holen.
Bis 16. März ist die Kinderoper „Pünktchen und Anton“ noch als Stream auf der Seite der Oper Köln verfügbar. Besonders familienfreundlich ist hier das Ticket-System, das verschiedene Stufen anbietet, die frei wählbar sind – angefangen bei 0 Euro. Eine Einladung zum Opernbesuch also für alle – unabhängig ob „arm oder reich“.
Pünktchen und Anton | ab 6 Jahren | R: Brigitta Gillessen | bis 16.3. | Oper Köln | www.oper.koeln
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