Seit der Feminimus sexy geworden ist, muss sich das „Girlie“ neu erfinden – ob selbstbewusst provokativ oder doch beides? Auf der Ausstellung „Girls 3000“, kuratiert von Nelly Gawellek, präsentieren sechs junge Künstlerinnen ihr Verständnis vom Girlie.
Die Geschichte der Luxemburgerin Mary-Audrey Ramirez ist typisch: „Seit Jahren spiele ich Videospiele und wurde sexistisch angemacht, wie: ‚Zeig mal deine Brüste.‘ Außerdem werden Frauen in der Computerspielewelt nicht ernst genommen, ständig ist der Mann der Held und die Frau, wenn überhaupt, nur eine Figur mit prallen Brüsten à la Lara Croft.“ Dieser Hintergrund spielte eine Rolle bei Ramirez‘ Beitrag: Ein rosafarbenes Girlie-Kissen mit glitzernden Waffen wirkt auf den ersten Blick unscheinbar, doch die Videoaufnahme eines Computerspiels mit pinken Waffen im Kissen möchte zeigen, dass mit dem typischen Girlie-Image Schluss ist. Die Niedlichkeit wird als Waffe eingesetzt, um zu provozieren und dem Girlie ein neues Image zu geben. Dies findet sich auch in den anderen Werken der Künstlerinnen wieder.
Mädchen mit lachendem, offenem Mund, pirouettendrehend, mit fliegendem Haar – so verspielt stellt die amerikanische Künstlerin Alex McQuilkin in aneinandergereihten Sequenzen aus Filmen, Videos, Werbung das typische Girlie-Klischeebild dar.
Auf Niedlichkeit setzt die Amerikanerin Grace Weaver mit ihrer Bilderreihe. Die Bilder zeigen posierende Girls in ihrer pubertären Zeit, wie sie flirten, Freundschaften bilden und posieren. Die Reihe soll den Stellenwert von sozialen Medien für Mädchen überspitzt darstellen. Denn die Oberflächlichkeit und Banalität der Szenen werden durch die Karikatur veralbert und ad absurdum geführt.
Einen Tick anders sieht es die polnische Künstlerin Magdalena Kita, die in Krakau und Kunstakademie Düsseldorf studiert hat. Sie stellt in Form von nackten Frauen, die Männer in Besitz nehmen und sich gegenseitig zerfleischen, ihre Ikonenmalerei vor. Die Maltechnik ist eine spezielle Technik, die in der orthodoxen Kirche eingesetzt wird, um Geschichten zu erzählen – dazu die provokativen Darstellungen mit den Girlie-haften hellen Pastellfarben, und der Bruch ist perfekt. Die Künstlerin spielt mit den Klischees und stellt die Frau als stärkeres Geschlecht dar, das den Mann veralbert und sich das nimmt, was ihr zusteht.
Magdalena Kita sagt dazu: „Meine Bilder stellen einen Prozess dar, wo die Bewegung hingeht, und dabei werden Fragen beantwortet, wie: Was ist eigentlich Girlie? Was ist feminin? Was ist maskulin? Was ist stark? Ich selbst sehe mich wie einen weiblichen Macho, der provozieren will, und dabei spiele ich mit Extremen.“
Die Kontraste und Brüche spielen bei der Ausstellung eine entscheidende Rolle, so zeigen die zwei österreichischen Künstlerinnen Klitclique u.a. einen Klitoris-Statementketten-Anhänger und beziehen sich damit auf die in der Hip-Hop-Szene bekannten Statementketten. Damit lehnen sie sich, wie sie sagen, gegen die männliche Dominanz im Kulturbereich auf und wollen Gehirne bewegen, sich von den Klischees zu verabschieden.
Die polnische Künstlerin Zuzanna Czebatul geht einen Schritt weiter: In ihrer Serie „Gentle Reminders“ bedient sie sich einer klassischen Ästhetik, die den erigierten Penis in verschiedenen Farben darstellt. Diese Darstellung soll wie eine pubertäre Kritzelei wirken und die unanständige Frauenfantasie zeigen. Pornografie stammt schließlich aus der Antike und bezeichnet einen exklusiven Bereich von Erotik, zu dem nur Männer Zutritt haben.
Die Galerie Martinetz gewährt so Perspektiven auf die Girlie-Welt, damit sich jeder selbst eine Meinung bilden, kann zu der Frage: Was ist denn nun „girlie“ – und was nicht?
Girls 3000 | bis 20.7., Mi-Fr 13-18 Uhr, Sa 13-17 Uhr | Martinetz, Moltkestr. 81 im Belgischen Viertel | 0221 25 91 41 07
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