Geredet wurde viel. An Entwürfen und Konzepten fehlte es nicht. Und doch konnte einen als Beobachter während der öffentlichen Gesprächsrunden, in denen seit vier Jahren jede Überlegung fünf- bis zehnmal gedreht und gewendet wurde, nie der Eindruck verlassen, dass es mit einem Tanzhaus in Köln nichts werden würde. Jahr um Jahr sollten 450.000 Euro angespart werden, um den Traum vom eigenen Haus zu verwirklichen. Das Land NRW versprach Unterstützung, unter der Voraussetzung, dass keine „kölsche Lösung“ installiert würde, sondern ein Haus mit einem so markanten Profil zugeschnitten worden wäre, dass neben Essen und Düsseldorf eine dritte attraktive Bühne den Ruhm NRWs im Tanzbereich hätte mehren können. Im Grunde kein Problem, leben doch rund die Hälfte aller Tanzschaffenden des Landes zu Füßen des Doms. Eine andere Tatsache wiegt schwerer.
Der Rat der Stadt musste 4,1 Millionen Euro für das Projekt locker machen, mit weniger Geld – da sind sich alle Fachleute einig – ist ein leistungsfähiges Haus nicht zu betreiben. Jetzt sind die Landeszuschüsse verfallen und in Köln wird zu unseren Lebzeiten garantiert niemand mehr das Wort Tanzhaus in den Mund nehmen. Zunächst konnte kein geeignetes Objekt gefunden werden, dann mietete der unermüdliche Leiter des Kulturamts, Konrad Schmidt-Werthern, eine Halle in Mülheim für zwei Jahre an. Die gähnte die meiste Zeit schläfrig vor sich hin und kostete eine halbe Million. Nur vier Monate wurde sie als Probe für ein Interim bespielt, und das zum satten Preis von 160.000 Euro. Jetzt kartet die Politik nach und beschwert sich, dass der Mietvertrag nicht früher gekündigt worden sei, weil man dann angeblich das gesparte Geld der Freien Szene hätte zur Verfügung stellen können. Wenn das so einfach war, warum hat es niemand getan?
„In Köln wird zu unseren Lebzeiten niemand mehr das Wort Tanzhaus in den Mund nehmen.“
Eine beispiellose Doppelzüngigkeit umgibt dieses Projekt, das rhetorisch stets am Leben gehalten wurde, aber nie eine realistische Willensäußerung der Politik erfahren hat. Jetzt hat man nichts mehr. Die Choreographen müssen weiter in den für ihre Zwecke mäßig ausgerüsteten Bürgerhäusern des Stollwercks und der Alten Feuerwache spielen - wo ihnen die Förderung für ihre Produktionen von den Bürgerhäusern als Miete gleich wieder abgenommen wird. Auch die Chance, die Sanierung der Orangerie zu möglicherweise 90 Prozent vom Land NRW finanziert zu bekommen, wurde nicht wahrgenommen. Selbst die kleinen Tanzproduktionen erhalten also keine Zukunftsperspektive.
Machen wir uns nichts vor, dem Kölner Rat ist die Tanzkunst herzlich egal. Wenn die Oper an zwei Gastspielabenden guten Besuch zeigt, reicht das den Kölnern, darüber hinaus hegt das Publikum keine ästhetischen Erwartungen. In der Freien Szene wurschtelt jeder vor sich hin. Der Vertrauensverlust ist nach der Tanzhaus-Posse total. Interessant auch, das kein Aufschrei aus der Freien Szene zu hören ist. Was hat man dieser Szene in den letzten 20 Jahren alles erzählt? Was hat sie alles hingenommen? Gibt es sie noch? Warum schweigen die Lämmer? Deprimierend die Vorstellung, auch in Zukunft Tanzkunst unter den elenden Bedingungen der Vergangenheit sehen zu müssen. Heißt das jetzt endgültig: Licht aus?
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