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Szene aus „DAS – Solo für eine Gestalt“, Choreografie und Tanz: Barbara Fuchs
Foto: Lucia Lommel

Nacktheit – Zumutung oder Kunst?

27. Juni 2013

Der nackte Körper als tänzerische Aussage – Tanz in NRW 07/13

Ein durchsichtiger Gazevorhang vor einem Lichtkarree. Tonlos entledigen sich vier Tänzerinnen ihrer Kleidung, stehen schließlich nackt am Lichtrand. Atemlose Stille im Publikum. Unbehagen und vielleicht auch Schamgefühl breitet sich im Düsseldorfer Forum Freies Theater (FFT) aus. So direkt und live den nackten Körpern ausgesetzt zu sein, sich einerseits nicht entziehen zu können und gleichzeitig die Wahl des Blickes zu haben, ist schwerer zu ertragen als Nacktheit im Film oder TV, wo die Blickrichtung vorgegeben wird.

Die Tänzerinnen betreten die Bühne, suchen sich eine Position im Raum, formieren sich zu Bildern, Ornamenten, Skulpturen. Alles ganz leidenschaftslos aneinandergereiht und ohne sinnliche Vertiefung. Das erinnert mehr an Freikörperkultur als an die künstlerische Reflektion eines Zustandes, auch wenn Live-Projektionen die Szenerie verfremden. Keren Levi, die israelische Choreografin, hat die Vier nackt hinausgeschickt, um uns „mit dem Begehren unseres Blicks zu konfrontieren“. Doch Begehrlichkeit kommt angesichts der nüchtern inszenierten Körper gar nicht erst auf. Hier wird Normalität inszeniert, die keinen Platz lässt, um „das Verhältnis von Schönheit und Pornografie“ zu bedenken. Weder in den Körpern, den Bewegungen noch der choreografischen Gestaltung liegen eine besondere Schönheit oder pornographische Attitude. Irgendwann langweilt die distanzierte Körperpräsentation der Inszenierung nur noch, die sich genau dieser Schönheit des menschlichen Körpers verweigert. So bezugslos gehört Nacktheit eigentlich nicht auf die Bühne.

Diese Entblößung erschreckt mehr als die glamourhaft inszenierte Nacktheit, wie sie etwa der Choreograf Angelin Preljocaj in seinem neuen Stück „Les Nuits“ zeigt. Mit Kostümen, die mehr entblößen als bedecken, mit lasziven Bewegungsformen bringt Preljocaj beides zusammen: die Schönheit des Körpers und den pornographischen Blick. Den forciert er bewusst mit sexuell betonten Gesten: dem Griff in den weiblichen Schritt, dem männlichen Körper, der sich zwischen die Beine der Tänzerin drängt. Preljocaj tourt derzeit mit „Les Nuits“, und Keren Levis Stück „The Dry Peace“, vorgestellt im Rahmenprogramm des Tanzkongress 2013, ist Teil einer Trilogie des FFT über Public Bodies und die Dramaturgie der Entblößung im Herbst 2013. Dass weibliche Nacktheit nicht in die Falle des männlich-begehrenden Blickes geraten muss, hat die Kölner Choreografin und Tänzerin Barbara Fuchs mit ihrer Inszenierung des nackten Körpers in „DAS – Solo für eine Gestalt“ (2010) gezeigt. Zwischen Entblößung und Nacktheit setzt sie den Körper einer tänzerischen Selbstbefragung aus, um nach seinen maskulinen und femininen Anteilen zu forschen. Ihr Solo bezieht seine Spannung aus der Verkörperung des jeweils abwesenden Teils. Dies darzustellen, gelingt ihr mit der expliziten Nacktheit des Körpers vor sich selbst. Nacktheit wird dabei zur inhaltlichen Aussage und bezieht erst daraus ihre inszenatorische Berechtigung. Als Matrix steht die Idealvorstellung von einer Einheit des Körpers. Die allerdings findet sich wohl nur im androgynen Menschen.

Klaus Keil

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