Können sich diese Fotografien von industrieller Architektur in unserer bunten, rastlos flimmernden Welt überhaupt behaupten? Sie sind s/w, kleinformatig, die Motive sind isoliert und zentriert aus einer überschauenden Perspektive, die auf einem feststehenden Kanon an Sujets beharrt und ganz auf Menschen verzichtet: Die Bilder von Bernd und Hilla Becher sind absolut konsequente, zu typologischen Serien zusammengestellte Kunstwerke.
Das kennzeichnet nun auch die Fotografien der Hochofen-Anlagen. In der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur sind 250 Einzelbilder von etwa 45 Anlagen zu sehen, welche die Bechers von den 1960er Jahren bis in die 2000er Jahre in Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und den USA fotografiert haben. Wir können die Präzision der analog aufgenommenen Fotografien bewundern und dabei feine Details im Bildgeschehen erkennen und Spezifika der Hochöfen ableiten. Gerade das Schwarz-Weiß hält tonale Abstufungen bereit, welche diese Konstruktionen räumlich erfahrbar machen. Und die Fotografien machen uns bewusst, dass wir es hier mit Anlagen zu tun haben, die meist außer Betrieb und teils schon abgerissen sind: Auch in dokumentarischer Hinsicht leisten die Bechers Wichtiges.
Die Bechers würdigen die wenig beachteten Zweckbauten anonymer Architekten, die aber doch Wahrzeichen der Schwerindustrie sind. Sie beschreiben, wie hier die Form der Funktion folgt und vergegenwärtigen die Monumentalität in einer Landschaft, die meist aus Brachen besteht. Auch fokussieren die Bechers die Röhrenkonstruktionen, nehmen sogar Ausschnitte der organischen Gebilde und wecken augenblicklich die Vorstellung von riesenhaften Wesen. So schlängeln sich die Rohre um abstrakt konstruktive Elemente. Die Bechers wenden hier noch weitere Verfahren der Ansicht an. Da sind die Überblicke über das gesamte Areal, das wie eine Festung wirkt. Eine Fotografie führt den Blick über die gestaffelten Hausdächer der Ortschaft, ehe er auf die Industrieanlage trifft. In einem solchen Bild erkennt man sogar Menschen, die als Maß für die Größe der Hochöfen dienen. Mitunter schwingt etwas Romantisches mit. Dann wieder vermitteln die Bechers die raue Nüchternheit der Industrie. Wie sehr sich die Bechers in ihre Motive vertieft haben, bei Wind und Wetter tagelang auf das richtige Licht gewartet und dann doch nach einem besseren Standort gesucht haben, erschließt sich auch daraus, dass sie mitunter nach Jahren wieder am gleichen Ort fotografiert haben.
Nach dem Tod von Bernhard Becher (1931-2007) betreut Hilla Becher (geb. 1934) in Düsseldorf das Gesamtwerk weiter, in Zusammenarbeit übrigens mit der Photographischen Sammlung, die schon wiederholt Aspekte dieses Werkes ausgestellt hat und in ihrem Bestand besitzt. Heute ist der Name des Paares nicht nur mit ihren Fotografien, sondern auch mit der „Düsseldorfer Fotoschule“ verbunden. In der Fotografie-Klasse an der Düsseldorfer Akademie, die Bernd Becher ab 1976 geleitet hat, haben Candida Höfer, Andreas Gursky, Thomas Ruff oder Thomas Struth studiert. Aber auch die Bechers besitzen Weltruf. Dabei ist eine begriffliche Definition ihrer Arbeit gar nicht so einfach. In Amerika wurde der beschreibende, unsentimentale Blick ihrer Aufnahmen zunächst der „Neuen Topographie“ zugerechnet. Im Seriellen der Typologien und Lakonischen der Betrachtung wurden ihnen vor allem in den 1970er und 1980er Jahren Bezüge zur Minimal Art, auch zur Concept Art attestiert. Ihrerseits haben die Bechers bei den fotografierten Bauten von „Anonymen Skulpturen“ gesprochen – und 1990 haben sie den Goldenen Löwen der Biennale Venedig für Skulptur erhalten. Aber das Anonyme ihrer Objekte kennzeichnet auch ihre Aufnahmetechnik, die ohne subjektive Eingriffe stattfindet, und bei der man nicht weiß, wer schließlich auf den Auslöser gedrückt hat. So sachlich, klar das Werk ist, so vielschichtig und aufregend ist es doch zugleich.
„Bernd und Hilla Becher – Hochofenwerke“ I bis 26. Januar I Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur, Köln I www.photographie-sk-kultur.de
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