Donnerstag, 12. Januar: Es müssen nicht immer 90 Minuten sein: Auch in einer oder in 10 Minuten lässt sich eine berührende, witzige oder überraschende Geschichte erzählen. Das kann man jedes Jahr beim Kurzfilmfestival erleben oder in einer der Kölner Filmschulen. Daneben eignet sich das Format vorzüglich, um ein Thema aus mehreren Perspektiven zu betrachten. Gezeigt hat das die SK Stiftung Kultur mit ihrem Kurzfilmprogramm „Zeit meines Lebens – Über Begegnungen von Jung und Alt“ im Filmforum. Die Auswahl aus deutschen und internationalen Kurzfilmen wurde bereits beim Sommer Köln im vergangenen Jahr aufgeführt.
Das Thema kann für die Medienvermittlung der Stiftung als programmatisch angesehen werden. In Workshops werden Jugendliche und Schüler gemeinsam mit über 55-Jährigen in kreativen Tätigkeiten unterrichtet wie Fotografie oder Trickfilm. Weil die Stiftung auch eine längere Tradition der Filmaufführungen hat, unter anderem mit dem Schwerpunkt Tanzfilm, lag ein thematischer Kurzfilmabend nah, wie Mitarbeiter Dominik Bühler erzählt. Der Abend wird dann auch vom Publikum her ein Treffen von Jung und Alt. Dazu tragen sicher auch einige bekannte Gesichter bei, wie Bühler erklärt: „Viele Workshop-Teilnehmer sind auch treue Besucher unserer Veranstaltungen.“
Geboten bekommen sie 16 Filme ganz unterschiedlicher Art. Einige zeigen ganz deutlich ein anderes Bild des Alters, als man das gewohnt ist. Gerade das Gewitzte, die Agilität von älteren Protagonisten werden da hervorgehoben – in dem Sinne dann teilweise auch wieder jugendliche Eigenschaften. Eine Seniorin im schwedischen Beitrag „Girl Power“ (R: Per Carleson, 2004) etwa ist gar nicht so gebrechlich, wie sie erst wirkt. Das erkennt man, als ihr das Auto davon rollt, während sie ihr Fahrrad auf den Radträger heben will. Sicher ist sie aber auch nicht so gebrechlich, wie sie später vorgibt, wenn es zu ihrem eigenen Nutzen ist. Zwei Damen im Krankenhaus finden zu einem bizarren „Kwiz“ (R: Renauf Callebaut, Belgien 2006) zusammen: Wer erkennt zuerst den klassischen Komponisten des Nokia-Klingeltons? Die witzige Idee ist in ihrer Inszenierung dem klassischen Western-Duell nachempfunden.
Auf ganz andere Art zeichnet der irische Film „Undressing My Mother“ (R: Ken Wardrop, 2004) ein ungewohntes Bild des Alters. Die Protagonistin und Mutter des Regisseurs präsentiert ihren alten, scheinbar unansehnlichen Körper nackt der Kamera. Die eindrucksvolle Inszenierung findet aber plötzlich sehr ästhetische Bilder dieses Körpers. Die verbinden sich mit ihren charmant-liebevollen Erzählungen, wie ihr Ehemann ihren Körper begehrte und ihr dadurch Selbstbewusstsein verlieh. Der Film kippt dann mit der Erinnerung an den bereits Verstorbenen in ein tief trauriges Ende.
Der Traum, nochmal jung zu sein, prägt Kasallas Musikvideo zu „Kumm mer lävve“ (R: Mark Calin Caliman, D 2013). Das zeigt die Musiker als alte Heimbewohner auf der Flucht. Die Spritztour im Bus inklusive Bankraub und Verfolgungsjagd durch Köln endet dann beim Konzert der jungen (echten) Band. Ein kurzer Werbeclip („Viva Young – Taco Bell“; R: Noam Murro, USA 2013) zeigt ebenfalls den Insassen eines Altenheims, der aus dem Fenster flieht und auf einem (jugendlichen) Trip durch die Nacht zieht, inklusive Party und Drogen. Das ist nicht nur witzig, es macht durch seine „falsche Besetzung“ auch die übliche Inszenierung von Jugendlichkeit in diversen Filmen sichtbar.
Mehrere Filme erzählen den Tod der Eltern oder Großeltern aus der Sicht der jüngeren Generation. Der sehr schlicht gezeichnete Animationsfilm „A Journey Across Grandmother“ (R: Meghana Bisiner, GB 2005) erzählt aus der Sicht eines achtjährigen Mädchens, deren Großmutter verstirbt. Die sehr ausdrucksstarke Strichzeichnung schafft es künstlerisch, die Sichtweise des kleinen Mädchens einzufangen.
Der wohl persönlichste Film ist ein Diplomfilm der Kölner Kunsthochschule für Medien. In „Sterben nicht vorgesehen“ (R: Matthias Stoll, D 2012) erzählt der junge Filmemacher ganz persönlich von seinem eigenen Vater. Der Ingenieur war Bastler und Handwerker, hat fast das ganze Leben des Sohnes lang an einem Haus gebaut, das nie ganz fertig wurde. Mit alten Familienfotos, -videos, persönlichen Briefen und durch gezeichnete und animierte Sequenzen erzählt der Film, wie der Sohn aus der Ferne eine schwere Krebserkrankung des Vaters miterlebt.
Der Kurzfilmabend zeigt in vielen eigenständigen Werken einige Facetten des Themas. Vor allem aber unterhält er das Publikum an diesem Abend vorzüglich. Die dramaturgisch geschickte Reihenfolge der Filme führt den Zuschauer emotional von absurd-komischen bis zu todtraurigen Momenten. An ein oder zwei Stellen hätte da sogar eine kurze Pause gut getan, um das Gesehene zu verarbeiten. „Das haben wir sonst auch so gemacht“, sagt Birgit Hauska von der SK Stiftung Kultur. Nur seien für einen Wochentag die jetzt gezeigten zwei Stunden Kurzfilm dann doch die zeitliche Grenze.
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