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Marcel van Eeden, ohne Titel (aus: Cat. 17.1.4: Zürich, Architecture), 2015, Nerostift auf Bütten, Sammlung Imre Szekeres
© Marcel van Eeden

Vor 1965

12. August 2024

Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24

Das Verwinkelte, Nahsichtige und Plötzliche der Kabinette passt zu dieser Ausstellung: Die Schau mit den Zeichnungen, Malereien, Editionen und animierten Comics von Marcel van Eeden findet in der Grafischen Sammlung ganz oben im Museum Schloss Morsbroich statt. Die Blätter, die hier teils als Serien, teils vereinzelt hängen, reißen Geschichten, Ortsbeschreibungen an, in die sie uns augenblicklich verstricken. Sie zeigen Vergangenes, mit den Mitteln der Zeichnung festgehalten wie Postkarten oder Schwarzweißfotografien oder Reproduktionen aus Zeitungen und Magazinen. Was wir sehen, bleibt in der Motivik, Darstellung oder Perspektive irgendwie fern und geheimnisvoll, verdichtet im Realismus der Schilderung. Marcel van Eeden ist ein Meister der Atmosphäre auf kleinster bildnerischer Fläche, der sich unerwarteten Situationen und unterschwellig drängenden Sachverhalten zuwendet.

Das ist selbst bei einer Reihe von dunklen Zeichnungen der Fall, welche die flache Landschaft der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts wiedergeben und sich Blatt für Blatt mit kleinen Unterschieden einfühlen. Rasanter und wie mittendrin, weil teils von oben betrachtet und variabel in den einzelnen Orten, nähert sich Marcel van Eeden Zürich. Er erkundet die Stadt, etwa auf den Spuren der Sammlung des Kunsthauses Zürich oder im Museum Rietberg, in dem er sich der Biografie des Bankiers Eduard van der Heydt widmet und den Erwerb seiner Kunstsammlung hinterfragt. Seine Geschichten sind multiperspektivisch und verschränken, teils begleitet von Texteinschreibungen, verschiedene Zeitebenen. Wir blicken mit den Augen der Gegenwart auf Vergangenes, das sich noch in Teilen erhalten hat. 

Zürich ist die Wahlheimat des Niederländers, der an der Kunstakademie Karlsruhe als Professor unterrichtet und zu den stillen Stars der Kunstszene zu rechnen ist. Die Ausstellung in Leverkusen verdeutlicht, dass van Eeden eine einzigartige und wichtige Position der Zeichnung entwickelt hat. Zu seinen Prinzipien gehört, dass er Tag um Tag mindestens ein Blatt fertig stellt. Zu seinem Konzept gehört außerdem, dass die Orte, Situationen und Handlungen, die er zeichnerisch erfasst und teils erfindet, sämtlich vor seinem Geburtsjahr 1965 liegen. Der Hauch des Nostalgischen kollidiert mit der sachlichen Distanz, all das nicht selbst gesehen haben zu können, sondern nur davon zu berichten. 

Marcel van Eeden, Oswald Sollmann, Der Traum, 1957, 2014, Aquarell auf Bütten, Sammlung Gerhard Theewen, © Marcel van Eeden

Dazu erfindet Marcel von Eeden in seinen Zeichnungen Charaktere und führt ihre Biografien wie eine Graphic Novel auch nach längerer Zeit fort. Seine Protagonisten sind in einzelnen Episoden als Schriftsteller oder Künstler, Archäologe, Spion oder Erfinder tätig. Ein gewisser Oswald Sellmann betreibt sogar im frühen 20. Jahrhundert ein Vaudeville-Theater, in dem Revue-Nummern mitsamt allem Hokuspokus aufgeführt werden – und natürlich ist der Trickfilm für Marcel van Eeden ein ideales Verfahren. Zu sehen ist in Leverkusen seine filmische Folge, in der die Artisten und Akteure – selbstverständlich mehrdeutig – als Koteletts auftreten. In seinem Vergnügen am schräg-seltsamen Ereignis, aber auch seiner doppelbödigen Tiefe bleibt Marcel an Eeden in der Kunst so ziemlich unerreicht.

Marcel van Eeden. Art Today – Zeichnungen und Animationen | bis 6.10. | Museum Morsbroich, Leverkusen | 0214 406 45 00

Thomas Hirsch

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