Das Gespräch mit Hans Eijkelboom ist ein Vergnügen. Nicht nur, weil der 1949 geborene holländische Künstler so lakonisch humorvoll über seine Projekte spricht, sondern auch, weil wir uns in seinen Fotografien der „Menschen des 21. Jahrhunderts“ wiedererkennen. Eijkelboom ist Konzeptkünstler der ersten Stunde. Schon 1971 wurde er neben den Protagonisten dieses Metiers zur Ausstellung „Sonsbeek buiten de perken“ in seiner Heimatstadt Arnhem eingeladen und im Grunde verfolgt er die künstlerischen Strategien seiner frühen Jahre bis heute. Das verdeutlicht nun die großartige Ausstellung in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung: Sie zeigt, aufgefächert und zusammengefasst in rund 400 Rahmen, die wichtigen Serien seit Beginn der 1970er Jahre weitgehend komplett mit ihren Tableaus, Textzeilen und reihenden Anordnungen. Eijkelboom erstellt mit der Kamera Typologien, die vermeintliche Nebensächlichkeiten fokussieren und untersuchen, wie weit Codices und Moden reichen und wie wir die Individualität zugunsten des Konformen aufgeben. In seinen soziologisch orientierten Studien hinterfragt er gesellschaftliche Rituale, gängige Verhaltensweisen und die eigenen Erwartungen mit ihren Klischees. Seine Themen handeln von Identität und Einrichtung in der Gesellschaft als sozialem, kommunikativem und globalem Gefüge.
Dabei spart sich Eijkelboom selbst nicht aus. Im Gegenteil, anfänglich ist er sogar sein ausschließliches Modell. In den frühen s/w-Serien ist er beispielsweise mit seiner Frau und den zwei Kindern daheim zu sehen, sitzend in der Pose der jungen Musterfamilie, aufgenommen für das Familienalbum. Allerdings besteht die Serie aus mehreren derartigen Fotografien, auf denen er mit unterschiedlichen Familien im wechselnden Ambiente auftaucht, als klopfe er exemplarisch das mögliche Spektrum dieses sozialen Verbundes ab oder als führe er ein Mehrfachleben. Und natürlich bestehen Zusammenhänge zwischen dem Aussehen der Familie und ihrem Lebensumfeld.
In anderen Serien tritt Eijkelboom als Kommunist – im Stile von Marx, Lenin und Mao – auf oder lässt sich im Gespräch mit führenden Politikern seines Landes abbilden: Er wechselt die Rolle und fragt nach der Identität von Haltung und Tätigkeit. Wunderbar ist auch sein Infiltrieren in eine Tageszeitung. An zehn aufeinanderfolgenden Tagen schleust er sich in ein Foto in der Lokalzeitung ein, als Besucher öffentlicher Veranstaltungen oder Staffage bei der Aufnahme von Unfällen. Die nächsten Werkgruppen dokumentieren die Befragung von Passanten, die ihrerseits Passanten aufgrund ihres Aussehens bestimmte Attribute zuordnen. Schließlich teilt sich damit vor allem etwas über die Befragten und verbreitete Vorurteile mit. 1992 bis 2007 entstehen dann Eijkelbooms fotografische Tagebücher und daran anschließend bis heute Fotonotizen, aufgenommen in den Metropolen der Welt, meist auf belebten Straßen und Plätzen. Sie zeigen, zusammengefasst in reihenden Tafeln, einzelne Personen, ausgewählt nach jeweils einem bestimmten Kriterium, besonders der Kleidung, des Aussehens oder Verhaltens. Dabei nimmt Eijkelboom seine Fotografien unerkannt auf, so dass sich die Menschen ungekünstelt verhalten. Trotz seiner Konformität auf der Straße aber ist der Einzelne auf dem Foto als Individuum verstanden – was wiederum die Frage nach dem jeweils Eigenen, der Persönlichkeit aufwirft. Jetzt könnte man stundenlang neugierig durch die Ausstellung laufen und die Reihen immer neuer Entdeckungen mit den Augen abschreiten. Und dann erkennt man auch, wie sehr diese Fotografien bildnerischen Methoden der Komposition und des Ausschnitts folgen und damit mit den Aufnahmen von August Sander sowie Bernd und Hilla Becher korrespondieren. Auch in ihrer fotografischen Konsequenz ist diese Ausstellung ein Juwel.
„Hans Eijkelboom. Photographische Konzepte, 1970 bis heute“ | bis 19.3. | Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur im Mediapark | 0221 88 89 53 00
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