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Foto: Andree Lanthier

Kuchensahne

23. August 2010

Tanz-Gastspiele als Ersatz für eine fehlende Kompanie in Köln - Tanz in NRW 08/10

Das geht einem schon unter die Haut, wenn plötzlich eine Welle durch das Parkett schwappt und sich das Publikum auf breiter Front von seinen Sitzen erhebt. Standing Ovation für 17 buddhistische Kampfmönche aus dem legendären Shaolin-Tempel in der chinesischen Provinz Henan. Ausgestattet wie Banker in grauen Geschäftsanzügen tanzen sie eine Choreographie des flämisch-marokkanischen Tänzers Sidi Larbi Cherkaoui. In Köln ist Gastspiel-Time angesagt. Nach der Trennung von Amanda Miller und ihrer Truppe pretty ugly war noch Geld für den Tanz übrig. Die Bemühungen, einen namhaften Choreographen für ein hauseigenes Ensemble zu finden, waren nicht von Erfolg gekrönt. Kein Wunder, hätten sich der neue Mann oder die neue Frau doch gleich in den Provisorien eines jahrelangen Interims wiedergefunden, da Schauspiel und Oper vor einer grundlegenden Renovierungsphase stehen. Wenn schon keine eigene Truppe, dann wenigstens ein paar internationale Pralinés der Tanzkunst für ein Publikum, das schon seit dem Aus von Jochen Ulrichs Tanzforum Mitte der Neunziger Jahre ohne diesen Zweig der darstellenden Kunst auskommen muss.
Die Oper oder das Schauspiel sind voll, wenn John Forsythe aus Frankfurt oder die Hubbard Street Dance Company Chicago an den Rhein kommen. Man spürt den Hunger nach Tanz; auch als Amanda Miller in Köln begann, waren die Sitzreihen geschlossen. Eine Faszination, die sich durch alle Generationen zieht, und doch ist die Situation nicht spurlos am Publikum vorübergegangen. Konservativ ist es geworden, handwerkliche Perfektion, Technik und die Abwesenheit experimenteller Ansätze werden begrüßt. Die Hubbard Street Company mit perfekter Professionalität und ihrem keimfreien amerikanischen Verständnis von Erotik wird bejubelt, obwohl als innovativster Ansatz des Abends das Stück „Tabula Rasa“ von Ohad Naharin aus dem Jahre 1986 herhalten muss. Als John Forsythe mit „Yes we can‘t“ eine Choreographie präsentiert, die sich mit moderater Entschlossenheit auf eine Überprüfung bekannter Gesten und Formvorstellungen des gegenwärtigen Tanz-Repertoires einlässt, ist schon ein Murren im Saal zu vernehmen. Von Klassikern unserer Tage wie Anne Teresa de Keersmaeker oder Wim Vandekeybus, sind solch kritische Perspektiven auf das, was heute Tanz sein kann, noch weit entfernt. Essen und Wuppertal bewegen sich in ganz anderen ästhetischen Umlaufbahnen.
Gastspiele bleiben ein zweifelhaftes Vergnügen. Ohne die Begleitung einer eigenen Kompanie und die Möglichkeit, am Ringen der Künstler um neue Ausdrucksformen teilnehmen zu können, entwickelt sich nur schwerlich ein Verständnis für ästhetische Innovation. Schön, dass die Begeisterung vorhanden ist, aber Nachhaltigkeit stellt sich mit sporadischen Vergnügungen nicht ein. 10 Gastspiele sind für die nächste Saison gebucht. Gut so, die Sahne auf dem Kuchen ersetzt jedoch nicht die Grundversorgung. Erst sie liefert jene nahrhafte Kost, von der man auch einmal satt werden kann.

Thomas Linden
Thomas Linden ist Journalist, Autor und Jurymitglied des Kölner Kinder- und Jugendtheaterpreises



Thomas Linden

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