Für den Tanz scheint der Mai wahrhaft zum Wonnemonat zu werden. Zum zweiten Mal präsentiert sich die NRW-Tanzszene in einem 10-Tage-Tanz-Marathon in sieben Städten des Landes. Schlicht „tanz nrw 09“ nennt sich das vom 7. bis 17. Mai in Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln, Krefeld, Viersen und Wuppertal stattfindende Tanzfestival. Es ist die Fortsetzung einer Tanzreihe mit anderen Mitteln, die 2005 trotz ihres verheißungsvollen Titels „tanzstrasse“ in einer Sackgasse endete und schließlich eingestellt wurde.
Zwar werden sich die Veranstalter von „tanz nrw 09“ vehement gegen die Beschreibung ihres Tanzfestivals als „Fortsetzung“ der gescheiterten „tanzstrasse“ wehren, doch so oft wie in den letzten drei Jahrzehnten regional und lokal in NRW die Versuche scheiterten, die freie Tanzszene konzentriert der Fachpresse, den (internationalen) Veranstaltern und natürlich dem Publikum zu präsentieren, genauso oft trat kurz darauf ein neues Festival, eine neue Tanzreihe, ein neues Label an die Öffentlichkeit: eben die Fortsetzung der Fortsetzung. Und jeder Neu-Ansatz offenbarte es deutlicher: Der Tanzszene NRW fehlt die angemessene und dauerhafte Präsentationsform.
Die Bündelung von Aufführungen allein ist sicher kein Knüller. „Ein Paket zu schnüren“ ist ja inzwischen Mode – warum nicht auch im Tanz. Immerhin konnten die Ausrichter von „tanz nrw 09“ als Fazit ihres ersten „Festivals“ 2007 verkünden, dass eine stattliche Anzahl von Veranstaltern die Aufführungen besucht und „eingekauft“ hätten. Aber das sollte besser weiterhin die Aufgabe der Internationalen Tanzmesse NRW bleiben. Die Konzeption von „tanz nrw“ erscheint also auch bei dieser zweiten Auflage noch nicht ausgereift, wirft mehr Fragen auf, als sie beantworten kann. Dass auch Vorstellungen städtischer Theater (Bonn, Münster) ins „Festival“ aufgenommen werden, erscheint nur für Bonn angemessen. Hier schafft am 15. Mai das freie Ensemble „Cocoondance“ erstmals den Schritt auf die Bühne der Oper – eine großartige Anerkennung seiner künstlerisch hochwertigen Arbeit –, aber das Gastspiel von Münsters Tanztheater in der Festhalle Viersen zum „kreativen Potential“ des freien Tanzes zu zählen, erscheint grenzwertig.
Natürlich löckt die Kommentierung eines Events noch vor dessen Beginn wider den Stachel. Sei´s drum! Hier geht es nicht um die Künstler und ihre Tanzstücke. Hier geht es um die Frage der angemessenen Konzeption eines „Festivals“ zur Präsentation und Förderung der freien Tanzszene.
Eine über sieben Städte verstreute Vorstellungsreihe als „Festival“ zu bezeichnen, das ist mutig. Ein „Festival“ bedarf anderer Strukturen. Das hat erst kürzlich das große Pina-Bausch-Festival schmerzlich erfahren müssen. Aber wenn sich am Ende des Festivals „tanz nrw 09“ in der Öffentlichkeit und vor allem in der Kulturpolitik die Erkenntnis durchsetzt, dass es für die teils sehr aufwändig produzierten Tanzstücke der freien Szene mehr Aufführungsmöglichkeiten geben muss, dann hätte das „Festival“ ja immerhin etwas erreicht.
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