Ohne sein Lämmchen wäre Johannes Pinneberg verloren. Er, der Archetyp des kleinen Mannes, der in der ständigen Angst vor dem sozialen und finanziellen Abstieg lebt und der vielleicht gerade deshalb immer wieder geschlagen und getreten wird, würde an dem Gefälle seines Lebens zerbrechen, wenn seine Frau ihn nicht immer wieder stützen würde. Sie ist die einzige positive Konstante in Hans Falladas Roman „Kleiner Mann – was nun?“, den Regisseur Jan Neumann nun für die Bühne des Theater Bonn adaptiert. 90 Jahre nach seiner Veröffentlichung sei Falladas Welterfolg noch immer erschreckend aktuell, sagt er im Interview mit choices. „Heutzutage ist das System vielleicht ein anderes, aber die permanente Furcht davor, dass alles nur noch schlimmer wird, die geht auch heute noch um.“
Umso wichtiger scheint es, den Roman auf die Bühne zu bringen. Denn trotz aller Schicksalsschläge – und derer gibt es viele – hat die Liebe zwischen den beiden Hauptfiguren Bestand. Auch wenn es nicht immer leicht ist: Gerade als Pinnebergs Freundin Emma „Lämmchen“ Mörschel (Linda Belinda Podszus) erfährt, dass sie schwanger ist, und das Paar sich auf eine glückliche Ehe freut, verliert Pinneberg (Timo Kählert) in Folge einer Intrige seinen Job, und das 1930, mitten in der Weltwirtschaftskrise. Auch eine Anstellung in einem Berliner Warenhaus ist nicht von Dauer. Die junge Familie muss schließlich aufgrund der angespannten Finanzen in die Gartenlaube eines Freundes ziehen. Doch selbst als Pinneberg aufgrund der zahlreichen Demütigungen jegliche Selbstachtung zu verlieren droht, hält seine Frau ihn aufrecht. „Für mich ist 'Kleiner Mann – was nun?' in erster Linie die Geschichte eines Zusammenbleibens, allen Widrigkeiten zum Trotz“, betont Neumann, der unter anderem schon am Schauspiel Frankfurt, dem Bayerischen Staatsschauspiel München und am Maxim Gorki Theater Berlin inszenierte. „In diesem Bezug hat die Handlung schon beinahe utopische Züge, die im Grunde zeitlos sind.“ Aus diesem Grund verzichtet Neumann auch darauf, das Bühnengeschehen in eine konkrete Epoche zu verorten. „Die Ästhetik der 1920er und 1930er Jahre ist in den vergangenen Jahren ja sehr häufig beschworen worden, ob im Film oder im Theater. Ich finde das Ewige weitaus reizvoller, zumal das Panoptikum dysfunktionaler Figuren dies durchaus erlaubt. Die Angst vor dem Abstieg, die nahezu alle Charaktere in der ein oder anderen Weise beherrscht, passt zum Beispiel auch in die Gegenwart, in der durch den Lockdown viele Existenzen bedroht waren und es mitunter noch immer sind.“
„Kleiner Mann – was nun?“ | R: Jan Neumann | 23.3., 8., 28.4. 19.30 Uhr, 3.4. 18 Uhr | Schauspielhaus Bonn | www.theater-bonn.de
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