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Walter Leistikow, Aus dem Grunewald, um 1907, Öl auf Leinwand, 75 x 100 cm
© Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie

In und um Berlin

28. November 2013

Der „Berliner Impressionismus“ im Käthe Kollwitz Museum – kunst & gut 12/13

Eine großartige Ausstellung! Und dabei stehen die lichtdurchflutet vibrierenden Landschaften der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts nicht einmal so sehr im Mittelpunkt. Das Käthe Kollwitz Museum zeigt gleichberechtigt die Interieurs und die Portraits dieser Zeit in Berlin, die im malerischen Duktus dem zwanzig, dreißig Jahre zuvor entstandenen französischen Impressionismus verwandt, aber doch ziemlich anders sind. Ein Künstler wie Monet zielte auf ein „reines“ Sehen der Natur in all ihrer Farbenpracht und auf ein Einfangen des flüchtigen Augenblicks. Der französische Impressionismus durchdrang das Geschehen, löste es in einzelne Pinselstriche auf und abstrahierte es dabei.

Zwar hatten etliche der Berliner Künstler in Paris studiert, einflussreich aber wurde der Impressionismus erst durch die Präsentation dieser Bilder in Berlin: ab 1896 in der Nationalgalerie und ab 1898 in der Galerie Cassirer. Ab 1900 waren die Franzosen dann in die Ausstellungen der Berliner Secession integriert. Die Berliner ihrerseits ließen aber nur bedingt vom Realismus ab. Sie suchten ihre Motive in allen Bereichen der Gesellschaft. Max Liebermann hat betont, dass der Impressionismus für ihn nicht ein ästhetisches Prinzip sei, sondern „eine Weltanschauung“. Wie unterschiedlich die Berliner Maler vorgingen und malten, das zeigt jetzt die Kölner Ausstellung, die, aus Beständen der Nationalgalerie in Berlin zusammengestellt, den Bogen über den Realismus hin zum Expressionismus um 1910 spannt. Das „Dreigestirn“ des deutschen Impressionismus mit Lovis Corinth, Max Liebermann und Max Slevogt, die schon früh berühmt waren und geehrt wurden, ist hier in den Kontext der Zeitgenossen eingeordnet.

Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Berliner Secession, die sich 1898 in Abspaltung von der Großen Berliner Kunstausstellung gegründet hatte und ganz unterschiedliche Charaktere vereinte. Berlin löste in dieser bewegten Zeit München als führende Kunst-Stadt ab. Vor allem in Berlin ließ sich beobachten, wie die Großstadt weiter wuchs und die Industrialisierung voranschritt, wie sich die sozialen Verhältnisse veränderten und das Individuum weiter an Bedeutung gewann. Die Berliner Künstler vertreten in ihren Bildern die Position, dass ein reines „weltfremdes“ Schauen nicht mehr möglich ist. Ihre Landschaften arbeiten das Spezifische der Gegend heraus. Die Interieurs teilen etwas über die Wohnverhältnisse mit, die Fensterblicke bleiben „diesseitig“, nüchtern und genau. Die Menschen sind in ihr gesellschaftliches Gefüge gestellt. Ein eigenes Genre bilden die Straßenszenen, mit denen vor allem Lesser Ury bekannt wurde. Die Portraits arbeiten den gesellschaftlichen Stand des Dargestellten heraus und psychologisieren zugleich, etwa durch die Lichtführung im Interieur und durch den Malduktus.

Auch Käthe Kollwitz war Mitglied der Secession: Im Rahmen der Sammlungspräsentation des Kollwitz-Museums wird sie als kritische Zeichnerin mit sozialem Bewusstsein präsentiert. Im Ausstellungsparcours nun schließt sie an die Portraits ihrer Kollegen an. Und dann gibt es doch noch die Landschaften zu sehen, einmal mit Besuchern, einmal ganz frei von diesen. Beliebtes Sujet der Jahre nach 1900 ist die Seenlandschaft in und um Berlin. Von Walter Leistikow stammt das Gemälde „Aus dem Grunewald“ (1907), das voller Nuancen in Braun- und Grüntönen gemalt ist. In der Lichtspiegelung im See und in den langen Schatten der Bäume vermittelt sich eine heitere Gestimmtheit. Leistikow macht den Betrachter zum teilnehmenden Augenzeugen. Das Gras setzt direkt zu seinen Füßen ein, der Schatten der Blätter scheint auf ihn zu fallen. Und der Blick durchmisst das Bild bis zum Hügel, wo eine Villa zu entdecken ist: In diesen Jahren entwickelte sich der Grunewald zu einem Villenviertel vor den Toren Berlins – so aktuell und reich an Informationen ist die Malerei in dieser Zeit.

„Berliner Impressionismus“ I bis 26.1.14 I Käthe Kollwitz Museum, Köln I www.kollwitz.de

THOMAS HIRSCH

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