Ein und dieselbe Frau, immer wieder. Die Ausstellung, die das Käthe Kollwitz Museum der in Köln ansässigen Malerin Tremezza von Brentano ausrichtet, konzentriert sich ganz auf ihre Selbstporträts. Zu sehen sind rund 30 davon seit 1978. Die Künstlerin wirkt in der schematischen Malweise auf allen Bildern nahezu unverändert, mitunter trägt sie einen Malkittel, steht an der Staffelei oder sitzt am Tisch mit ihrem Partner. Vor einem knapp angedeuteten Hintergrund – teils im Außenraum – an den vorderen Bildrand gerückt, befindet sie sich umso mehr im Kontakt mit dem Betrachter. Die dunklen Haare sind nach hinten gekämmt, das Gesicht ist ebenmäßig. Die Haltung ist kontrolliert, dazu ist das Haupt erhoben, aufmerksam und nachdenklich. Es sind Nuancen, in denen sich die Gesichter voneinander unterscheiden, aber dann merkt man, wie einen die Bilder geradezu verfolgen und wir ihren Blick im Nacken spüren, weil hier ein ganzes Feuerwerk an Mimik und Ausdruck entfacht wird. Tremezza von Brentano fächert in ihrer so kalkuliert realistischen Malerei ein breites Spektrum an Emotionen auf. Gerade in seiner Weite und seiner oft kühlen Gestimmtheit lädt sich der Bildraum psychologisch auf. Und auch wenn (oder weil) mitunter sonst nichts zu sehen ist, deuten sich Geschichten und kommunikative Zusammenhänge in den feinen, fast unmerklichen, umso präziseren Gesten an.
Von Brentano berichtet in diesen Selbstbildnissen von ihrem Leben als Malerin in der großstädtischen Urbanität, meist aus der Zurückgezogenheit des Interieurs heraus. Vor allem vermitteln diese Bilder Stille und Konzentriertheit. Die Betrachter werden zu Dialogpartnern. Mit ihren Gemälden gehört von Brentano hierzulande zu den wichtigen Chronisten mit den Mitteln der Malerei. Seit Jahrzehnten reflektiert sie in ihren Gemälden die Existenz des Menschen in der Gesellschaft, vor allem im öffentlichen Raum. Sie wendet sich seiner Darstellung in der Werbung zu, in den Printmedien und längst auch im Internet. Sie hinterfragt gängige Schönheitsideale, verknüpft sie mit zeitgeschichtlichen Ereignissen und entlarvt so Klischees der Berichterstattung und der Wahrnehmung. Sie zitiert subtil – oder ganz direkt – die Kunstgeschichte und wertet sie für das heutige öffentliche Leben um. Immer wieder treten die Menschen in Gruppen und gestikulierend auf und werden so zu höchst agilen Protagonisten. So ruhig und entleert, dabei aber als Interieur konkret, wie es jetzt bei den Bildern im Käthe Kollwitz Museum der Fall ist, sind eigentlich nur die Selbstporträts.
Stilistisch bleibt sich Tremezza von Brentano auch bei den Bildnissen treu. Die Arme und Beine wirken kantig, dabei deutlich ausformuliert und plakativ vor dem Farbgrund, die Haut ist im Licht modelliert. Und dann entfaltet sich ein lapidarer Charme, in dem man ohne Ende Nuancen im Ausdruck entdeckt. Selbst kleine Accessoires nehmen symbolische Bedeutung an, die Bildkomposition bezieht alle Elemente ein und auch diese formalen Mittel tragen zum Bildklima bei... Anschaulich wird all das im Kollwitz Museum zumal in der durchdachten Anordnung der Bilder auf Blickachsen hin, wie sie Hannelore Fischer, die Leiterin des Hauses, gemeinsam mit der Künstlerin vorgenommen hat. Deutlich wird jetzt, dass Tremezza von Brentano einzelne Motive (aber auch schon Farbtöne) wiederholt aufgreift, noch über die jeweilige Serie hinaus. Und dass bestimmte innerbildliche Systematiken und Motive, etwa die Ausrichtung des Dielenbodens in die Bildtiefe, die Setzung einer leeren oder umgedrehten Leinwand im Hintergrund und fast leere Regalschränke selbst nach Jahren wiederkehren, ja, dass sie erst das Milieu dieser Bilder prägen. Tremezza von Brentano, die aus Innsbruck stammt und in Mannheim bei Paul Berger-Bergner und an der Stuttgarter Kunstakademie bei K.R.H. Sonderborg studiert hat, hat vor kurzem ihren 75-jährigen Geburtstag gefeiert. Mit den Selbstbildnissen – die sich sogar zu den grafischen Blättern von Käthe Kollwitz in Beziehung setzen lassen – wird jetzt also die richtige Bildgattung zum richtigen Zeitpunkt vorgestellt.
Tremezza von Brentano. Selbstbildnisse | bis 25.2. | Käthe Kollwitz Museum | 0221 227 28 99
DIE KÜNSTLERIN
Tremezza von Brentano (*1942 in Innsbruck) entwickelte nach ihrem Studium in Mannheim, Stuttgart und den USA ab 1972 auch in ihrem Kölner Atelier einen eigenen, figurativen Stil. Die Ausstellung zeigt Selbstbildnisse aus den letzten 40 Jahren.
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