Bekannt war Anja Niedringhaus mit ihrem fotografischen Werk schon früh: Sie ist, gemeinsam mit weiteren Associated-Press-Fotografen, mit dem Pulitzerpreis für ihre Berichterstattung aus dem Irak ausgezeichnet worden, und sowohl ihre Kriegs- als auch Sport-Fotografien sind weltweit publiziert und in Museen ausgestellt worden. Viele ihrer Aufnahmen, die ohne Namensnennung publiziert wurden, gehören zum kollektiven Gedächtnis zeithistorischer Ereignisse. Aber erst mit ihrem Tod bei einem Anschlag im April 2014 in Afghanistan wurde sie über die Fachkreise hinaus berühmt. Derzeit ist sie im Düsseldorfer Kunstpalast in der Ausstellung „Fotografinnen an der Front“ vertreten. In Köln widmet ihr das Käthe Kollwitz Museum nun eine Einzelausstellung.
Anja Niedringhaus wurde 1965 in Höxter geboren. Sie beginnt bei der Lokalredaktion der dortigen Zeitung und gibt das Studium der Germanistik für den Einstieg bei der European Pressphoto Agency auf, für die sie ab 1990 bei großen Sportereignissen fotografiert – auch davon sind, vielleicht etwas zu sehr gedrängt, einige Beispiele im Kollwitz Museum zu sehen. Ab Herbst 1991 fotografiert sie zudem in Krisenregionen, zunächst in Jugoslawien. Die Auseinandersetzungen im Balkan bilden für ein Jahrzehnt den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit. Später arbeitet sie im Irak, in Israel, Pakistan, Libyen und – immer wieder – in Afghanistan. Anja Niedringhaus bleibt auch dann noch an den Schauplätzen, wenn die Zivilbevölkerung geflohen ist. Sie begleitet die Militärmissionen, fotografiert die Soldaten beim Vorrücken und in den Pausen zwischen den Gefechten.
„Nie erscheint sie mit ihrem Blick in den Bildern als Fremdkörper“, hat Jean-Christophe Ammann 2011 geschrieben. „Der Blick ist zupackend, auch dann, wenn er von Demut, Befangenheit oder Zärtlichkeit geprägt ist.“ Sie fotografiert die Schwerverletzten aus nächster Nähe. Das Schreckliche des Krieges und wie sehr er den Alltag prägt, wird am Einzelschicksal greifbar – das gilt auch für die Bevölkerung: Niedringhaus fotografiert die Familien auf der Flucht; die Kinder mit ihren Spielzeugwaffen auf dem Kettenkarussell; die verschleierten Frauen auf Plätzen und in Häusern. Dazu erstellt sie Sequenzen mit mehreren Fotografien, die die Mimik oder die Wendung der Personen zueinander dokumentieren und die kleinen Geschichten mit ihrer Emotionalität festhalten. Auch wenn es im Journalismus um Schnelligkeit geht und der Beschnitt des Formates oft unvermeidlich ist, bleibt Anja Niedringhaus aufmerksam für die Details.
In NRW wurden ihre Fotografien zuletzt 2012 in der „Situation Kunst (für Max Imdahl)“ in Bochum-Weitmar umfassend ausgestellt. Dort hat sie im Gespräch berichtet, wie wichtig ihr der Aufbau des Bildes sei, dass es bei den Sportereignissen mit der richtigen Sekunde zu tun habe und in den Krisengebieten damit, wie weit sie sich etwa in beschossenes Gelände vorwagen könne. Ihr Anspruch war immer mehr als spektakuläre Ereignisse festzuhalten: Sie wollte aufrütteln, aber auch auf die Besonderheiten des Landes und die Schönheit seiner Menschen aufmerksam machen – und dafür adäquate Bilder finden.
Anja Niedringhaus – Bilderkriegerin | bis 30.6. | Käthe Kollwitz Museum | 0221 227 28 99
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Lebende Pflanzen in Schwarz-Weiß
Karl Blossfeldt in der Photographischen Sammlung im Mediapark
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ohne Filter
„Draussensicht“ in der Oase – Kunstwandel 01/24
Ereignisreiche Orte
Simone Nieweg in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung im Mediapark – kunst & gut 11/23
Sehen in Lichtgeschwindigkeit
Horst H. Baumann im Museum für Angewandte Kunst – kunst & gut 10/23
Lichterfüllte, funktionale Orte
Lucinda Devlin mit einer Werkschau in der Photographischen Sammlung – kunst & gut 04/23
Formen und Strukturen
Drei Alfred Ehrhardt-Programme im Filmhaus – Film 04/23
Ein Star unter den Fotografierten
Max Ernst auf Fotografien in seinem Museum in Brühl – kunst & gut 03/23
Orte in der geformten Landschaft
Sammlungspräsentation Teil 2 der SK Stiftung Kultur – kunst & gut 10/22
Tradition und ihre Gegenwart vor einigen Jahrzehnten
Raghubir Singh im Fotoraum des Museum Ludwig – kunst & gut 09/22
Sammlung ordnen
Porträt, Landschaft und Botanik in der Photographischen Sammlung – kunst & gut 06/22
Aus dem Schatten ins Licht
Ein Abschied, ein Buch und andere Bilder im Käthe Kollwitz Museum – kunst & gut 04/22
Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Vor 1965
Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24
Atem formt Zeit
Alberta Whittle in der Temporary Gallery – Kunst 07/24