Zum 25jährigen Jubiläum des Stadtgartens ist es Zeit für eine Momentaufnahme der derzeitigen kulturpolitischen Situation. choices-Herausgeber Joachim Berndt sprach mit Reiner Michalke über die Gründungsidee, die jetzige Bedeutung des Stadtgartens und Perspektiven für die Zukunft.
choices: Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie auf das 25-jährige Bestehen des Stadtgartens angesprochen werden?
Reiner Michalke: Hurra, wir leben noch! Es mag zwar etwas ernüchternd klingen, aber unser größter Verdienst als Konzertbetrieb nach jetzt 25 Jahren ist vielleicht wirklich, so lange durchgehalten zu haben.
Das klingt aber jetzt doch sehr bescheiden. Mein Eindruck ist vielmehr, dass der Stadtgarten mit seinem Programmangebot beispielhaft ist und zumindest in Deutschland seines Gleichen sucht.
Mir geht es so, dass je weiter ich von Köln entfernt bin, der Stadtgarten immer mehr an Größe zunimmt. So wie der „Scheinriese“ bei Jim Knopf. Wenn ich jedoch hier mitten im Alltag stecke, erkenne ich immer wieder, wie weit wir von dem entfernt sind, was wir uns damals vorgenommen hatten. Wir sind angetreten, die Arbeits- und Lebensbedingungen von Jazzmusikern zu verbessern, so haben wir es in unsere Satzung geschrieben. Und dazu gehörte eine Spielstätte, die Vorbild werden sollte, für viele weitere Spielstätten im Land. Eine Spielstätte für Jazz und improvisierte Musik mit einem unabhängigen, nach inhaltlichen Aspekten ausgerichteten Konzertprogramm, mit guter Akustik und besten Bedingungen für Musiker und Zuhörer. Vor allem aber auch mit Festhonoraren für die auftretenden Künstler.
Aber war es denn nicht auch etwas naiv zu glauben, dass man so etwas unabhängig von einer Marktnachfrage und ohne öffentliche Unterstützung herstellen kann?
Ohne eine gehörige Portion an Einfalt fängt man ein solches Projekt ja erst gar nicht an. Aber wir dachten, mit den Mieteinnahmen aus der Gastronomie – und hier vor allen Dingen aus dem Biergarten – Vermietungen, Sponsoren und dem Verkauf von Senderechten an den WDR erzielen wir genügend Einnahmen, um das von uns gewünschte Konzertprogramm zu finanzieren. Das hat am Anfang, als alle dabei sein wollten, auch gut funktioniert. Heute müssen wir feststellen, dass die Mieteinnahmen aus der Gastronomie der einzige stabile Faktor geblieben ist.
Aber der WDR ist doch immer noch häufig bei euch zu Gast. Und über mangelnde öffentliche Wahrnehmung müsst ihr euch doch auch nicht beklagen.
Das kommt darauf an, wie man es betrachtet. Wenn man wie wir mit einem Programm antritt, das gegen den Mainstream kämpft, bleibt irgendwann die Unterstützung derer aus, die auf die Zustimmung aus dem Mainstreams angewiesen sind, oder glauben es zu sein. Das gilt in erster Linie für Sponsoren, aber auch immer mehr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wir sind leider nur mit den Angeboten wirklich erfolgreich, mit denen wir uns an der Nachfrage orientieren. Also mit unserer Gastronomie und unseren Unterhaltungsangeboten. Ich will beides auch nicht schmälern, aber das war nicht das Ziel, für das wir angetreten sind.
Hat der WDR nicht sogar den Auftrag, solche Programme, wie ihr sie macht, in sein Angebot aufzunehmen?
Auch hier muss man differenzieren: Während der WDR-Hörfunk zu unseren verlässlichsten Partnern gehört und gerade im Jazzbereich immer noch Vorbildliches leistet, hat sich das WDR-Fernsehen schon vor Jahren vollständig zurückgezogen. Jazz im WDR-Fernsehen ist eines der ganz traurigen Kapitel. Aber ich will hier kein ARD-Bashing betreiben. Schließlich haben sich z.B. auch die Tages- und Wochenzeitschriften zunehmend aus der aktuellen Jazz-Berichterstattung zurückgezogen.
Wie kann man denn Angebote, die sich ja offensichtlich an ein Minderheiten-Publikum richten, Ihrer Meinung nach für ein größeres Publikum öffnen?
Dazu braucht es ein gesellschaftliches Umdenken. Es beginnt mit der Vermittlung von abstrakten künstlerischen Inhalten aller Couleur an Kinder und Jugendliche, die so erfahren, wie sie schwierigere Inhalte für sich erschließen können. Es geht weiter über die Bereitschaft, die Toleranz und die Neugierde einer Gesellschaft, sich mit dem Neuen, dem Unbekannten auseinanderzusetzen. Dafür von großer Bedeutung ist die Vermittlungsarbeit von kompetenten Redakteurinnen und Redakteuren in den analogen und digitalen Medien. Das wichtigste für ein Land wie die Bundesrepublik ist allerdings die Erkenntnis, dass es fahrlässig wäre, sich auf den kulturellen Leistungen der vergangenen Jahrhunderte auszuruhen und alle Ressourcen in die Pflege des kulturellen Erbes zu investieren, und dabei die Erforschung und Entwicklung der aktuellen Künste zu vernachlässigen.
Und was bedeutet das heruntergebrochen auf eine Kulturstadt wie Köln?
Für die Kulturstadt Köln ist überlebenswichtig, neue Künstlerinnen und Künstler nach Köln zu locken und die, die bereits hier sind, hier zu halten. Dafür braucht es neben einer kulturfreundlichen Atmosphäre und einem begeisterungsfähigen Publikum, über das Köln zweifellos verfügt, eindeutige kulturpolitische Signale, die in eine kulturelle Zukunft weisen. Sieht man sich an, in welche Themen Köln in den vergangenen Jahren investiert hat – den Neubau des Wallraf-Richartz-Museums, den Neubau des Rautenstrauch-Joest-Museums mit dem vorausgegangenen Abriss der Kunsthalle, den Beschluss zur Renovierung der Bühnen oder die Diskussion um die Archäologische Zone und ein Jüdisches Museum zeigen doch alle – mit Ausnahme des Schauspiels – in die Vergangenheit. Köln braucht endlich ein deutlich sichtbares Bekenntnis für den Anspruch, auch in Zukunft eine kulturelle Rolle spielen zu wollen. Alle diesbezüglichen Signale, wie z.B. die lit.Cologne oder die c/o pop sind doch aus privater Initiative entstanden und sind als Festivals relativ flüchtige Ereignisse. Einzig die „Akademie der Künste der Welt“ formuliert einen aktiven kulturpolitischen Anspruch, der auf der Geschichte der Stadt aufbaut und dennoch weit in die Zukunft weist. Und egoistisch formuliert wünsche ich mir für die Musikstadt Köln den Ausbau des Stadtgartens zu einem führenden Musikzentrum in Europa.
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