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Foto: Irma Flesch

Grenzen des Wachstums

01. Februar 2010

Magenbitter 02/10

Diesmal droht uns der Untergang nicht durch die Schweinegrippe oder ein polares Sturmtief namens Daisy. Es geht um einen kulturpolitischen Dauerbrenner. Wenn die kommunalen Kulturetats gekürzt werden, wird das furchtbare Folgen nach sich ziehen, verkündet die Kulturlobby zunehmend schriller. Köln zum Beispiel würde dann zu „Knollendorf“ herabsinken, hat der Opernintendant verlauten lassen. Ein Feuilleton- Redakteur des Kölner Stadtanzeigers sieht uns sogar im Nirwana der Geschichte verschwinden: „Und dann schnallen wir uns – Kölner durch und durch – Bärenfelle um, holen die Sackpfeifen heraus und tanzen munter grölend ums Lagerfeuer.“ Getoppt werden die Statements freilich durch den Deutschen Kulturrat, der landauf, landab vor einem „Spar- Tsunami“ warnt, der die Kultur hierzulande hinwegzufegen droht. Das „Seebeben“ habe bereits stattgefunden: „Die Wellen bauen sich auf, und jeder weiß, dass eine Katastrophe naht.“ Bis zum Weihnachtsfest 2004 war der Begriff „Tsunami“ hierzulande unbekannt. Dann überspülte eine gewaltige Flutwelle im fernen Asien Land und Leute. Als das Wasser wieder abgelaufen war, blieben 230.000 tote Menschen zurück, der Sachschaden ging in die Milliarden. Seitdem gilt ein Tsunami hierzulande als größte denkbare Katastrophe. Die Kürzung von Kulturetats mit dem hunderttausendfachen Tod von Menschen zu vergleichen, ist mehr als geschmacklos und moralisch entlarvend. Und nicht nur das. Die aktuelle Ebbe in den öffentlichen Kassen ist keine Naturkatastrophe wie ein Tsunami. Das dafür ursächliche weltweite Finanzdesaster ist von Menschen gemacht. Inzwischen stehen die Steuerzahler für die aufgehäuften Verluste der „systemrelevanten Banken“ gerade, während Banker schon wieder millionenschwere Boni einstreichen.

Das populistische Geschwätz über Tsunami und Steinzeit gefährdet freilich auch seriöse kulturpolitische Bemühungen, mit den Folgen der Krise umzugehen. Die Initiative von Schauspielintendantin Karin Baier etwa, die ein paar Millionen an Baukosten einsparen will. Oder den Vorschlag, vor Ort eine „Kulturtaxe“ einzuführen, um so einen Teil der von CDU und FDP betriebenen Subventionierung der Hotelbranche auf die Kultur umzulenken. Auch sonst täte der Debatte eine Beschäftigung mit Zahlen gut. Die kulturelle Infrastruktur etwa hat sich in NRW seit 1970 verzehnfacht, im Zuge der demografischen Entwicklung wird die hiesige Bevölkerung bald wieder auf den damaligen Stand geschrumpft sein: viel Kultur für immer weniger Leute. Spätestens dann wird deutlich sein, dass es auch für Kulturinstitute Grenzen des Wachstums gibt.

Wolfgang Hippe

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