Zu den wichtigen Einzelausstellungen, die derzeit in NRW zu sehen sind, gehören die Schauen mit Pae White in der Langen Foundation bei Neuss und mit Michael Kunze in der Kunsthalle Düsseldorf. Beide Künstler gehören der gleichen Generation an, beide sind in ihrem Werk Einzelgänger und doch fest etabliert im Kunstgeschehen. Dabei könnten die Unterschiede in der Kunst selbst kaum größer sein.
Pae White, die 1963 geboren wurde und in Los Angeles lebt, verhält sich in ihrem Werk zwischen freier und angewandter Kunst, wobei ein Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf der plastischen Arbeit liegt. Michael Kunze, der 1961 geboren wurde und sein Atelier in Berlin hat, ist seinerseits „richtiger“ Maler. Während die Kunst von Pae White einen spielerischen Zugang liefert, sogar „in Gebrauch“ sein kann, basiert Kunzes Malerei auf einem ausgesprochen theoretisch-intellektuellen Verständnis. Seine realistischen Bilder bersten an Zitaten von der
antiken Architektur bis zum zeitgenössischen Film und zur Literatur, die malerisch miteinander verwoben sind. Diese Kunst zeigt eine Gegenwelt, mitunter wie aus einer anderen Zeit und ganz in die Ferne entrückt. Hingegen funkelt und blitzt es in der Ausstellung von Pae White. Der Clou ihrer Installation in der Langen Foundation sind die Mobile aus Papierschnipseln, die, bei Nahem betrachtet, aus Fetzen der eigenen Publikationen oder reinen Farbflächen oder Spiegelfolien bestehen und mit Spots als flirrendes Schattentheater an die Wand projiziert sind. Pae White reagiert in ihrer Kunst aufmerksam auf die ästhetische Vitalität unserer Gesellschaft, und zwar ganz praktisch: etwa indem sie die Kataloge anderer Künstler gestaltet oder Sofas, auf die Zeitungsseiten gedruckt sind, zum Sitzen anbietet oder den Betrachter an riesigen abstrakten Wandteppichen vorbeilaufen lässt, wie nun in der Langen Foundation.
In der Kunsthalle Düsseldorf wiederum sind die Gemälde von Michael Kunze in dichter, fülliger Inszenierung zu sehen. Kunze hat seine Motive (bevorzugt Architektur, Landschaft, Figuren) sorgfältig erarbeitet und entzieht sie doch dem allzu schnellen Begreifen. Die in zahllosen Schichten flockig aufgetragene Ölmalerei initiiert eine subtile Farbigkeit. Nähe und Ferne, Licht und Schatten erweisen sich als wesentliche Momente seiner Malerei. Tatsächlich bildet die traditionelle Perspektive des Nordländers gen Süden ein Motiv seiner Malerei. Die Kunst von Pae White scheint hingegen das gleißende Licht von Kalifornien zu bündeln. – Also, die Werke beider Künstler sind effektvoll im besten Sinne. Aber sie tragen auch etwas von einer schichtweisen Freilegung, im Falle von Kunze von einer archäologischen Spurensuche, und bei White geht es um Strukturen, aus denen sich die Oberflächen unserer Alltagskultur zusammensetzen.
Übrigens wurden beide Künstler zunächst u.a. über die Aachener Privatsammlung Schürmann bekannt, die sich durch ihr Interesse an theoretischen Konzepten auszeichnet. Dass Gaby und Wilhelm Schürmann auch ein Faible für ästhetische Lösungen haben, das zeigen nun die beiden Ausstellungen. Sie demonstrieren auch, dass die Schürmanns herausragende Kunst schon früh erkannt haben – nun können wir im großen Stil daran teilhaben.
„Pae White – In Love with Tomorrow“ I bis 7. Juli I Langen Foundation, Neuss-Hombroich I www.langenfoundation.de
„Michael Kunze – Halkyonische Tage“ I bis 30. Juni I Kunsthalle Düsseldorf I www.kunsthalle-duesseldorf.de
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