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Freiheit first!
Foto: Chokniti / Adobe Stock

Ein Hauch von Chile ’73

25. November 2020

Kapital und Demokratie – zwei Seiten einer Medaille? Wohl eher nicht! – Teil 1: Leitartikel

Einer der hartnäckigsten Mythen der Globalisierung lautet: Durch weltweiten Austausch und Einsatz von Waren, Dienstleistungen und Kapital werden Menschenrechte und Demokratie verbreitet und gestärkt. „Wandel durch Handel“ lautet die Formel. Dass das platte Ideologie ist, verdeutlichen nicht nur Sweat-Shops in Bangladesch oder der Coltan-Abbau im Ost-Kongo auf der Seite der Produktionsverhältnisse. Der Putsch gegen den ersten indigenen Präsidenten Boliviens, Evo Morales, im November 2019 zeigt einmal mehr, dass die Durchsetzung von Kapitalinteressen auch heute noch – wir erinnern uns an den Putsch gegen Salvador Allende 1973 in Chile – vor dem Abräumen demokratisch legitimierter Regierungen nicht Halt macht.

Rückblende: Im Oktober 2019 wurden gegen Morales von der Bewegung zum Sozialismus (MAS) bis heute nicht erhärtete Vorwürfe wegen Wahlbetrugs erhoben und von der US-dominierten „Organisation Amerikanischer Staaten“ (OAS) befeuert. Morales musste, um der Verhaftung durch das Militär zuvorzukommen, ins Ausland fliehen; die Macht übernahm „Übergangspräsidentin“ Jeanine Áñez. Sie gehört jener Elite an, die seit jeher von Ausbeutung und Entrechtung besonders der indigenen Bevölkerung profitiert.

Wir putschen gegen wen wir wollen“

Welche Rolle die USA beim Coup spielten, bleibt ungeklärt. Dass sie eine spielten, legt Elon Musk nahe, Chef des weltgrößten E-Autobauers Tesla. Am 24. Juli 2020 schrieb er in einem mittlerweile gelöschten Tweet an einen Kritiker an Washingtons Rolle bei dem Putsch: „Wir werden putschen gegen wen immer wir wollen. Finde dich damit ab.“ Musks Interesse an Bolivien ist glasklar: Auf 3700 Metern Höhe lagern mit rund 21 Millionen Tonnen unter dem Salzsee Salar de Uyuni die weltweit größten Lithium-Reserven. Und die sind für den exzentrischen Unternehmer ebenso interessant wie für Autobauer aus Stuttgart und Wolfsburg. Jede Batterie eines E-Autos braucht rund 10 Kilogramm des Leichtmetalls.

Morales wollte den Rohstoff nicht einfach verscherbeln, sondern in Bolivien Akkus für den Weltmarkt produzieren. Weil das Kapital fehlte, gründete der Staatsbetrieb „Yacimientos del Litio Bolivianos“ (YLB) ein Joint Venture mit dem baden-württembergischen Unternehmen „ACI Systems Alemania“, wobei Bolivien 51 Prozent hielt. Das Konsortium sollte ab 2022 70 Jahre lang Lithiumhydroxid fördern. ACISA verpflichtete sich, eine Batterieproduktion in Bolivien aufzubauen und den entsprechenden Wissenstransfer zu leisten. (Dass in dieser Geschichte eine deutsche Firma auf der Seite der Good-Guys steht, ist übrigens eher Zufall als die Regel.)

Nach dem Coup ist vor dem Ausverkauf

Kurz vor den Wahlen 2019 stellten Teile der traditionell aus den USA unterstützten rechten Opposition das Joint Venture in Frage. Nach dem Staatsstreich legte das Putschistenregime das von MAS-Politikern zur Finanzierung von Sozialprogrammen weiterhin favorisierte Joint Venture komplett auf Eis und der Ausverkauf des Lithiums an multinationale Konzerne begann. Gewinner des Ausverkaufs waren die bolivianische Elite, US-Konzerne und Autobauer weltweit. Rohstoff ist halt günstiger als fertige Akkus. Verlierer waren die Anwohner am Salzsee, denn die blieben auf den Kosten des umweltschädlich per Fracking-Methode geförderten Lithiums sitzen.

Mit der Wahl von Luis Arce (MAS) am 18. Oktober 2020 kann der Putsch aber vorerst als gescheitert gelten. Verantwortlich hierfür waren die gelungene Massenmobilisierung der MAS und ein Generalstreik im August. Trotz grassierender Coronapandemie errangen die Bolivianer einen beeindruckenden Sieg der Solidarität.


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