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The Symmetry Project
Sven Hagolani.

Die nackte Wahrheit des Tanzes

15. Mai 2011

Das "Symmetry Project" im Studio 11 - Tanz in NRW 05/11

Wenn Mann und Frau die gleichen Bewegungen vollziehen, sehen sie dann gleich aus? Symmetrisch verhalten sich der US-Amerikaner Jess Curtis und die Italienerin Maria Francesca Scaroni in dem intimen Raum des Studio 11 in Köln Ehrenfeld. Ein Mann und eine Frau, ohne Kleider, die ihre Haut bedingungslos dem Blick der anwesenden Betrachter aussetzen. Auch wenn es die gleichen Bewegungen sind - beide haben zwei Beine, zwei Arme, sie heben und beugen ihre Hüfte im gleichen Rhythmus - und doch bleibt das, was man sieht, immer die Bewegung einer Frau und die eines Mannes. Das „Symmetry Project“ - wie die beiden ihre Choreographie nennen – eröffnet vor allem den Blick auf die Unterschiede. Zugleich sind die beiden aber Teil des Projekt Mensch. Da es den Menschen an sich nicht gibt, sind wir immer mit den beiden Versionen des Menschseins konfrontiert. Ein atemberaubendes Unternehmen, wenn man es auf so mutige und zugleich subtile Weise gezeigt bekommt, wie in dieser Produktion.

Weil das Kreatürliche von den beiden so konsequent ins Bild gesetzt wird, erhält es eine archaische Dimension. Nicht allein der Tanz wird hier zu seinem Urgrund geführt. Auch der Körper definiert sich jenseits seiner männlichen oder weiblichen Version nur noch als ein großes Stück Fleisch. Die beiden messen die Entfernung von dort, wo keine Spuren von Person oder Kultur mehr auszumachen sind, bis zu jenem Moment aus, in dem sie schließlich wieder als gesellschaftliche Wesen in Kleid und Abendanzug vor uns stehen. Mit dieser Reise zum Nullpunkt menschlichen Seins stellen die beiden den Bezug für das Tanzen her. Dass Sacroni und Curtis ihn so selbstbewusst in den Blick nehmen, ist ein Verdienst.

Wem die Tanzkunst etwas bedeutet, der sollte diese Produktion gesehen haben. Erotik ist durchaus in ihr enthalten, die Schönheit des männlichen, wie des weiblichen Körpers bleibt ein Thema der Inszenierung, allerdings ist es eine archaische Erotik keine erzählende, die sich an bekannten Bildern orientiert. Die Körper bleiben stets bei sich, sie kommunizieren miteinander, gleiten übereinander hinweg, wollen nichts sein, als sie selbst. Die Blicke der beiden Personen treffen sich auch dann nicht, wenn die beiden ineinander verkeilt sind. Das Ergebnis ist eine Konzentration, die der Choreographie die Intensität einer Performance verleiht. Ein Ereignis und eine Produktion, deren künstlerische Entschlossenheit die ästhetische Entwicklung des zeitgenössischen Tanzes beeinflussen wird.

Thomas Linden

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